Frankfurt Ironman (9. Juli 2017)

(von Jürgen B) Sonntag morgen, 4:00, der Wecker klingelt. Ich habe zwar nur ca. 4h, die aber tief und fest geschlafen. Schnell ein Toast-Brot mit Honig, dazu eine Tasse Kaffee, alle Sachen ins Auto und los geht's mit meiner Familie an den Langener Waldsee. Ich bin erstaunlich entspannt, fühle mich gut vorbereitet und erwarte voller Zuversicht den heutigen Wettkampf.

In der Wechselzone muss ich noch ein wenig an meinem Flaschenhalter am Sattel basteln, um nicht in Hochstadt in der Kopfsteinpflasterpassage die Ernährungsflasche für die zweite Runde zu verlieren, aber alles läuft ganz in Ruhe ab. Die Mitstarter aus dem Verein werden begrüßt, dann noch die letzten Vorbereitungen treffen. Schutzcreme auftragen um Scheuerstellen zu verhindern, mit Sonnencreme einreiben, Triathloneinteiler anziehen, dann den Neoprenanzug drüber, schnell noch ein Gel und man begibt sich langsam zum Schwimmstart.

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Während die Profis sich bereits in den See stürzen wähle ich mit den Startblock, angenommene Schwimmzeit 1:00-1:10 sollte passen wenn ich mich dort am Ende einreihe. Schnell noch ein paar Fotos machen lassen, die Familie drücken und sich für die nächsten Stunden von ihnen verabschieden. Dann beginnt auch schon der Rolling Start der Altersklassenathleten, nicht so spektakulär wie der Massenstart aber deutlich entspannter. Immer weiter rückt man im Startblock in Richtung Start, die letzten Sekunden, die Helfer geben den Durchgang frei und los geht's. Garmin auf Start drücken, los laufen, ein paar Hechtsprünge, das Abenteuer hat begonnen.
Ruhe bewahren, Rhythmus finden, die Orientierung behalten, sich genügend Platz suchen, so lauten die Ziele auf den ersten Metern. Zuerst wird eine Wendepunktstrecke geschwommen, 800m hin, um die großen, gelben Bojen und wieder zurück, dann ein kurzer Landgang, der Australian Exit. Zeit, einen kurzen Blick auf die Uhr zu werfen: 1660m in 0:27:xx. Wieder ins Wasser stürzen und los geht's auf die nächsten 2,2km, mit Bojen als Dreieckskurs abgesteckt. 1,6km in 27min, die Rechnerei beginnt, man hat ja viel Zeit. Aber das Rechnen fällt schwer, man kann sich kaum darauf konzentrieren, hochgerechnet komme ich auf irgendwas mit unter 1:10h. Prima 5min schneller als die erhoffte Schwimmzeit, nun konzentriert bleiben und den Rhythmus weiter schwimmen.

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Der Schwimmausstieg ist erreicht, Blick auf die Uhr, 1:05:xx, YES, das fängt super an. Auf dem Weg in die Wechselzone mit den Armen aus dem Neopren und bis zur Hüfte runter ziehen, da ein stechender Schmerz in der linken Ferse, "Oh nein, nicht jetzt schon Fersenprobleme. Das wird was geben beim Marathon", aber der Schmerz war sofort wieder weg. Beutel schnappen, Neopren aus, ging irgendwie einfacher als sonst nach dem Schwimmen, Socken und Radschuhe an und los zum Rad. In das Nummernband schlüpfen, Helm auf, Rad vom Haken nehmen und los.

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Mist, heute Morgen bei der Bastelei vergessen, die Oberrohrtasche ordentlich zu montieren, also stehen bleiben und nachholen. Garmin einschalten, ich brauche die Anzeige der Wattwerte und auf der Radstrecke nach der Markierung aufsteigen. Los geht's!

Die Radstrecke Ironman Frankfurt, seit 2008 als Fahrer für Kampfrichter und Fotografen unterwegs, kenne ich sehr gut. Dieses Jahr nun ohne Motor, dafür mit umso mehr Muskelkraft zu bewältigen. Der Garmin zeigt mir den Wattdurchschnitt der letzten drei Sekunden, den Puls, den Intensitätsfaktor, die Trittfrequenz, die Distanz. Alle Werte werden regelmäßig kontrolliert, bloß nicht überpacen, nicht von den zuschauern oder den anderen Athleten dazu verleiten zu lassen, mehr zu geben als man auf lange Dauer leisten kann. Zeit und Geschwindigkeit sind egal, Konstanz ist gefragt.

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Auf ebener Strecke 180-190W, an den Steigungen gerne auch mal 220W-240W, bergab dafür 160W, aber immer treten, treten, treten und nicht rollen lassen. Und ganz wichtig, auf die Verpflegung achten. Zwei Flaschen mit Maltodextrinkonzentrat - je Runde eine - dazu Wasser in der Aerobottle zwischen den Aufliegern. Alle 5 km piepst die Garmin-Uhr, Zeit für einen Schluck Konzentrat, dazu noch ein paar Schluck Wasser. An den Verpflegungsstationen wird Wasser aufgenommen, kurz getrunken, die Aerobottle aufgefüllt, der Rest zum Kühlen über Rücken und Körper verteilt und die leere Flasche in die Drop-Off Bereiche geworfen. Heartbreak-Hill, die erste Konzentratflasche ist planmäßig geleert und wird entsorgt, nun noch rein nach Frankfurt und die erste Runde ist auch schon geschafft. Bis hierher fühlt es sich supergut an. Zwar anstrengend, aber es läuft. Nun doch ein Blick auf die Garmin-Uhr nach Zeit und Durschnittsgeschwindigkeit schielen: 34,2km/h! Oha, das könnte etwas zu schnell sein, besser etwas raus nehmen, sonst wird der Marathon noch schlimmer als von den Trainingspartnern angekündigt. Auch die zweite Runde auf dem Rad lief prima. Dieses Mal habe ich vor der Kopfsteinpflasterpassage in Hochstadt den Garmin aus der Halterung gedreht und im Trikot verstaut. Erst nach dem Stück, das den Namen "The hell" völlig zu Recht trägt, wurde er wieder montiert. Bei der Fahrt durch Karben - meinem Wohnort - höre ich am "Stimmungsnest Gehspitze" den Moderator "Und wir warten auf den Teilnehmer mit der Startnummer Zwei Sieben Null Drei, Jürgen Braun aus Klein-Karben ... und da ist er auch schon!". Meine Familie, Freunde und Bekannte stehen an der Strecke und feuern mich lautstark an, ein anderer Teilnehmer ruft zu mir rüber "Das ist ja cool". Ich grinse und denke mir "Was für ein geiler Tag!". Auch an anderen Stellen der Strecke stehen viele Freunde, Bekannte, Kollegen und rufen mir zu - der Vorteil wenn man in der Nähe wohnt. Und es tut so gut und gibt einem ein tolles Gefühl!
Dann ist auch schon die zweite Runde auf dem Rad geschafft, man biegt ab zur Wechselzone, übergibt sein Rad einem der zahlreichen Helfer, blickt kurz auf die Uhr und ich kann es kaum fassen: 5:13h, Schnitt 33,6 km/h, 45min schneller als erhofft. Ich schnappe mir den Wechselbeutel und laufe ins Wechselzelt. Radschuhe und -helm gegen Laufschuhe und Mütze tauschen und los auf die Strecke. Locker laufen, nicht zu schnell angehen, leichter gesagt als getan. Auf der ersten Runde läuft Sebastian Kienle an mir vorbei, befindet sich bereits auf seiner letzten Runde und wird als führender der Männer von einem Kameramotorrad begleitet. Ich klatsche Beifall für solch eine grandiose Leistung. Die ersten 10km laufe ich schneller als bei meinem Solo-Marathon. Aber es fühlt sich alles völlig entspannt und einfach an, wenn es halbwegs so weiter läuft ist eine Zeit unter 4h drin.

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Entlang der Strecke verteilt stehen sie wieder: Familie, Freunde, Bekannte, ... rufen Dir zu, feuern Dich an, ein kurzer Halt bei meiner Frau, ein Kuß, soviel Zeit muss sein! In den Verpflegungsstellen gehe ich, trinke Wasser und ISO, nutze Wasser, Schwämme und Eis zum Kühlen, dennoch fühle ich mich an manchen Stellen wie im Backofen. Die erste Laufrunde vergeht wie im Flug, da kommt km 12 der Laufstrecke, die Schmerzen im rechten Fuß setzen ein - wie so häufig in letzter Zeit bei intensiven oder langen Läufen. Oh nein, nicht schon jetzt, das wird noch ein weiter Weg. Die Geschwindigkeit reduziert sich automatisch, ich variiere etwas den Fußaufsatz, ein Stechen im Kie ist die Folge, das jedoch zum Glück nur kurze Zeit anhält. Dann fängt der Magen an zu drücken, war es das Gel, das ich vor ein paar km zu mir genommen habe? Ist es Seitenstechen? Ich konzentriere mich auf das Atmen, auf meinen Rhythmus. Es wird schlimmer, aber alles noch erträglich. Etwa bei km 30 beginnen die Oberschenkel zu schmerzen, die Geschwindigkeit wird langsamer, pendelt sich bei etwa 6min/km ein. Durchhalten lautet nun die Devise, die Gesamtzeit wird für meine Verhältnisse der Hammer werden, selbst wenn ich gehen muss. Das Anlaufen nach den Verpflegungsstellen fällt mir immer schwerer, dei Beine wollen nicht mehr. Die letzten "Anstiege" nach der Gerbermühle und über die Flößerbrücke kommen mir wie Steilwände vor, doch dann bin ich am Zielkanal angelangt, biege auf den Römerberg ein, genieße den Lauf durch die Menschenmenge, laufe durch den Zielbogen - bämm 10:34h - und bin ein IRONMAN.

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Kommentare

Stefan

Phänomenal! Gute Regeneration und viele Grüße vom Schluchsee

Karsten

Konsequente Vorbereitung + defensive Taktik fürs Rennen = Top Ergebnis, das ist das Langdistanz1x1