Challenge Roth
von Jochen Menzen
Sonntag, 10. Juli 2011, ca. 21 h, Burger King in Nürnberg-Feucht: Bei der ersten festen Nahrung am Ende dieses Tages lasse ich die Ereignisse der letzten 36 h Revue passieren.
Samstag 09. Juli 2011, 11h: Das Wetter ist perfekt angesagt, etwa 25 Grad, heiter bis wolkig, ggfs. ein wenig Niederschlag am Sonntag Nachmittag. Ich mache mich auf den Weg nach Roth, nach 9 Wochen Krankheit, quasi keinem frischem Schwimmtraining, ca. 300-400 km frischem Radtraining und etwa 100 km lockeren Laufens (dabei ein 25 km Lauf gemeinsam mit Thomas Behme, der für mich extrem wichtig war auf dem Weg zu meiner Entscheidung) habe ich beschlossen, am kommenden Morgen bei der Challenge Roth zu starten, der Schwerpunkt liegt auf starten, ich habe keinerlei Erwartungen oder Ziele. Die letzten ärztlichen Untersuchungen sind mit sehr gutem Ergebnis verlaufen, ich bin nicht mehr krank, mein Blutwerte sind hervorragend, auch nach mehreren Wochen langsam gesteigerten Trainings hat sich nichts negativ verändert, im Gegenteil. Nur wenige wissen von meinem Start, es geht mir dabei nicht darum, dass ich Angst habe, nicht durchzukommen und das "geheim halten" möchte. Der Grund ist viel mehr, dass mir durchaus klar ist, dass mein Start nicht in Kategorien von "Vernunft" oder "sportlichen Zielen" oder ähnlichem zu sehen ist. Ironman habe ich gemacht, meine persönliche Bestzeit versuche ich erst gar nicht zu erreichen, also, was ist es dann ? An diesem Challenge Wochenende kann ich es selbst nicht in Worte fassen, daher habe ich ein paar Wochen mit meinem Bericht gewartet, ob ich es beschreiben kann: Ende April war eine sehr konsequent auf das wesentliche Unterschreiten meiner persönlichen Bestzeit ausgerichtete Vorbereitung jäh durch eine Krankheit unterbrochen worden, die viel schlimmer hätte ausgehen können. Dank der super Unterstützung von vielen Freunden, vor allem aber meinen drei tollen Mädels (meine Frau Anja, sowie meine Töchter Carolin und Marie) zu Hause und der medizinischen Rundumbetreuung von Dr. Dr. Florian Janis ist meine Krankheit am Ende gut ausgegangen. In der ganzen Zeit habe ich oft darüber nachgedacht, was Triathlon überhaupt für mich bedeutet und habe gemerkt, dass mir ohne den Sport sehr deutlich etwas fehlt, was sich in erster Linie al s das Training und der Spaß an der Bewegung aber auch an der Leistung (deshalb wohl die Wettkämpfe) beschreiben läßt. Im Krankenhaus haben neben meiner Familie auch Rennbilder von glücklich finishenden Athleten, gleich welcher Leistungskategorie, extrem anspornend gewirkt und mir geholfen, einfach alles zu tun, was der Heilung positiv hilft. Mir kommt es an diesem Wochenende nicht auf Zeit an, ich bin auch bereit jederzeit auszusteigen, wenn ich spüre, dass es keinen Sinn mehr hat oder sich schlecht anfühlt, gleichzeitig bin ich auch bereit dafür weiterzumachen, wenn es sich gut angeht. Das Fehlen irgendwelcher Ziele, ausser, am Wettkampf teilzunehmen, egal ob ich das durchhalte oder nicht, hat mich total locker dem Rennen entgegen sehen lassen.
Samstag, 09. Juli 2011 am Nachmittag: Das muss man gesehen haben, es gibt hier einen fest installierten Triathlon Park mit permanenten Wegweisern etc., die pre Wettkampf Atmosphäre ist sehr entspannt, logistisch allerdings nicht ganz einfach ist das Einchecken des Rades, aber seis drum, ich habe Zeit.
Sonntag 10. Juli 2011, kurz vor 7 h: Direkt am Start treffe ich Peter Mai (Danke an Dich für die perfekte Radeinstellung), die Profis schwimmen entlang, der Sprecher philosophiert über den soon to be history Vanhoenacker Rekord, los geht’s: Schwimmen geschieht in der Lände, einem Binnenschiffahrtskanal, der aufgestaut wird. Die Strecke geht hin und zurück, den 1,9 km entfernten Wendepunkt sieht man nicht einmal. Das Schwimmen gehe ich an wie ein ewig langes Einschwimmen, ich will das eigentlich nur hinter mich bringen, weil ich ohne nicht auf die Radstrecke darf.
Sonntag 10. Juli irgendwann Mittags: Herrliches Wetter, das Radeln macht Spaß: Die Strecke ist wunderschön zu fahren, es geht bis auf ein etwa 10 km Stück pro Runde eigentlich immer nur rauf oder runter, aber so, dass man extrem viel Zeitfahrposition fährt. Die Berge sind länger und steiler als in Frankfurt, der Asphalt ist "smoother". Die Strecke erinnert mich an eine etwas mildere Form des Kraichgau Rennens, die Folge der Berge aufeinander ist etwas länger gezogen, dh, mehr Zeit mit Tempo zwischendurch. An allen Bergen sind sehr viele Zuschauer und Speaker mit Musik und Anfeuerung.
Dann kommt das Erlebnis schlechthin. Gänsehautfeeling ist eigentlich nicht so meins, aber nach einem echt steilen Berg nach etwa 80 km kommt eine sehr schnelle Abfahrt, die in den Ort Solar führt, was dann kommt deutet sich bereits im Eingang einer 90 Grad Kurve an, in die man mit etwa 40 km/h reinfährt. Im Scheitelpunkt der Kurve nimmt man dann eine Wand aus Menschen wahr, die sich etwa 300 m vor einem aufbaut. Schon auf diesen 300 m sind zwar noch Absperrgitter aber extrem viele Zuschauer, dann erkennt man aber nicht, wo es hochgehen soll, weil KEINE Lücke da ist. Ist dann aber doch, wenn man reinfährt, der einzige Vergleich, der mir einfällt, ist, die Fankurve eines Fußballstadions hochzufahren. Man muss es selbst erlebt haben, auf der ersten Runde (auf der zweiten ist es schon etwas leerer) ist das mit nichts zu vergleichen, was ich in dieser Hinsicht erlebt habe.
Da ich mich gut fühle, beschliesse ich, auch die zweite Runde zu fahren, bis auf einen kleinen Hänger bei 120-130 km klappt die zweite Runde ebenfalls super, es wird inzwischen relativ heiss, was ich persönlich eigentlich mag. Ähnlich wie in Frankfurt führt ein sehr schnelles Stück in die WZ 2, man kommt da wieder recht gut ausgeruht und mit Lust auf den Lauf an.
Beim Lauf hatte ich die Vorstellung, dass es a) komplett flach b) mehrere Runden seien. Beides falsch. Im Prinzip läuft man einen Halbmarathon in die eine, dann einen Halbmarathon in die andere Richtung. Die ersten drei km und die letzten 4 km (das macht besonders Spaß) sind immer etwas auf und ab, dazwischen hat man nach km 15-16 einen etwa einen km langen steileren Berg, den man erst runter und nach einem kurzen flachen Stück durch einen Ort dann wieder rauf läuft. Bei km 25-30 läuft man längere Zeit einen langsam aber sicher ansteigenden Berg etwa 2-3 km lang rauf und dann wieder runter. Der Rest geht tatsächlich flach an der "Lände" entlang, Zuschauer gibt es an manchen Stellen und in den (drei) Ortschaften in größerer Zahl, ansonsten ist man im Prinzip unter sich.
Die Zeit im Lauf geht erstaunlich gut rum, zunächst habe ich mit mir selbst zu kämpfen, dann mit den Hügeln der ersten drei km, dann kommen die Profis (bis auf Raelert, der war schon weg) entgegen, dann merke ich, dass es Zeit wird zu essen und zu trinken. Mein gewähltes Lauftempo ist gefühltes Totalkomforttempo. Als ich kapiert habe, dass es keine Runden zu laufen gibt, bin ich bei km 15, dann den Berg hoch, dann ein paar km Lände und schon ist der erste HM rum. Aussteigen ? Zwar bin ich nicht mehr taufrisch, aber auch nicht total durch, also lautet mein Entschluß: 3,8 km durchs Wasser bewegt um aufs Rad zu kommen, das Highlight auf dem Rad genossen, nach dem ersten HM noch locker, nein, da steige ich jetzt nicht mehr aus. Die Zeit ist mir nach wie vor egal, daher werde ich solange mein Wohlfühltempo weiterlaufen, wie es geht und zur Not eben gehen. Ab km 25 macht sich ein alter Bekannter aus meinem ersten Ironman bemerkbar, da ich komplett auf Eigenverpflegung (da weiß ich was ich vertrage) verzichtet habe, wird mir bereits beim Anblick eines High 5 Gels (die an sich gut schmecken) leicht übel, im übrigen muss ich eine Auszeit im Dixie-Plastikparadies nehmen, da ich im Mix Riegel/Wasser/Gels gewählt habe und nicht alles ausgeschwitzt oder verstoffwechselt wird. Für den Rest der Strecke steige ich also auf Cola/Wasser Mix um. Die langgezogenen Steigungen zwischen km 25 und 30 sind der erste Test, es gelingt mir zwar durchzulaufen, aber ich fühle mich eher lala. Bergrunter geht auch nicht mehr schneller allerdings mit etwas besserem Gefühl. Zurück an der Lände ist der bis zum Ziel letzte angenehme Teil, die letzten 3-4 km nach Roth und anschliessend durch die horizontal und vertikal winklige Rother Altstadt, insbesondere bei km 40 mitten durch die zünftige bayerische Biermeile mit zahlreichen Zuschauern, die ihren ganz eigenen harten Tag hinter sich haben ist ein echter Test für Wille und angesichts der wabernden Hax`n und Alkoholfahnen des Magens.
Der Zieleinlauf: halt toll, aber objektiv auch nicht anders toll als bei anderen Rennen, das Finishen an diesem Tag hatte allerdings seine ganz besondere Note. Für mich persönlich hatte das Finishen jeder Langdistanz immer etwas ganz Besonderes, einmal wars die erste, einmal wars die Freude über die Zeit. Grund hierfür ist heute ganz klar: Back to the roots, einfach nur der Spaß an der Sache selbst, (schwimmen), Radfahren, Laufen.
Nach dem Rennen, glücklicherweise als ich bereits in der Dusche war, ein riesen Wolkenbruch, leider musste ich dann auch noch 10 km über die nassen Strassen zurück zur Lände radeln, wo ich mein Auto stehen hatte. In Roth selber herrschte so ein Verkehrschaos, dass der hierzu dienende Shuttlebus zur Lände trotz meines extrem moderaten Radltempos nicht vor mir da war.