Frankfurt Ironman 2005

von Karsten Kannenberg

Der längste Tag des Jahres 2005: Ironman Germany Frankfurt 10.7.2005.

Im Folgenden habe ich meine Erfahrungen und Erlebnisse bei meiner ersten Triathlon Langdistanz beim Ironman Germany am 10.7.2005 in Frankfurt und bei der Vorbereitung darauf aufgeschrieben. Ziel ist dabei sowohl, diese für mich selber festzuhalten, als auch es für Andere aufzuschreiben, die sich dafür interessieren, sei es aus reiner Neugier oder mit dem Gedanken, ähnliches zu versuchen. Demzufolge habe ich insbesondere das zusammengeschrieben, was ich bei meinen ersten Gedanken an den Ironman ca. andertalb Jahre vor dem 10.7.05 alles auch gerne schon (von anderen) gewusst hätte:

1) Bericht 10.7.2005

2) Hintergrund/ zu meiner Person

3) Training

4) Gesundheit

5) Ernährung

6) Renntaktik

7) Ausrüstung

8) Erkenntnisse

1) Bericht 10.7.2005

„Baby weg, Baby weg“ höre ich aus dem Kinderzimmer. Meine Tochter sucht ihre Puppe, denke ich. Verdammt. Ich stehe auf und sehe nach. Die Puppe liegt direkt neben ihr, sie hat sie in der Dunkelheit nicht gefunden. Ich gebe sie ihr, sie ist augenblicklich zufrieden und ruhig, schläft weiter. Ein Blick auf die Uhr: Mitternacht. Ich bin hellwach. Um 9 hatte ich mich hingelegt, kurz nach 10 war ich eingeschlafen. Ich gehe wieder ins Bett, was sonst. Ich denke an tausend Sachen, kann nicht mehr einschlafen, bin aufgeregt und nervös. Ich wälze mich hin und her. Viel Zeit vergeht, ich bin einfach nicht mehr müde. Die Kirchenuhr schlägt einmal. Ob es jetzt 1 Uhr ist oder halb zwei weiß ich nicht, ist auch egal. Ich bin immer noch wachwachwach. Meine Frau schläft neben mir tief und fest. Meistens stehe ich nachts auf wenn mit den Kindern was ist, so halt auch heute. Zwei Glockenschläge. Jetzt muss ich aber langsam mal einpennen, um 3:45 wird der Wecker klingeln ….

„Wasser, Wasser alle, mehr Wasser, Wasser, …..“ höre ich. Aus dem Kinderzimmer. Meine Tochter, die süße kleine, ich könnte sie ….. Ich fülle ihr neues Wasser ins Fläschchen, sie ist zufrieden und duselt wieder ein. Ich bin ziemlich angenervt und vor allem jetzt todmüde. Schnell wieder hinlegen denke ich, kurz noch auf die Uhr schauen: 03:42 steht da.

Ich schalte den Wecker aus, damit er erst gar nicht mehr klingelt, gehe ins Bad, setze mich auf den Toillettendeckel, stütze den Kopf auf die Hände und mir ist gar nicht nach großem Sport zumute. Das Bett würde sich jetzt viiiieeel besser anfühlen … Egal, jetzt geht’s los. Rasieren fällt aus heute morgen, ein bisschen kaltes Wasser ins Gesicht, das muss reichen. Dann Kontaktlinsen rein. Kurz noch mal zu meiner Frau, sie cremt mir den Rücken mit Sunblocker ein, wünscht mir viel Glück und schläft augenblicklich weiter. Den Rest creme ich selber, dann Hose, T-Shirt und Pulli an, liegt ja alles schon bereit, Socken auch und ab nach unten in die Küche. Die Trinkflaschen stehen mit Maltodextrinpulver vorbereitet da und warten auf Wasser, welches ich als erstes einfülle und die Flaschen dann zum anderen Gepäck stelle. Dann Frühstück: 2 Brötchen mit Frischkäse und Honig, eine Banane, dazu ein halber Liter Multivitaminsaft. Kaffee trinke ich morgens nie, bekommt meinem Magen überhaupt nicht. Zwei weitere Brötchen schmiere ich zum mitnehmen, für die Zeit bis zum Start. Auch zwei Bananen, zwei PowerBars und einen Liter Malto habe ich dabei als mögliche Fortsetzung des Frühstücks. Bloß kein Hungergefühl vor dem Start! 2004 vor dem Marathon in Frankfurt hatte ich gut gefrühstückt, aber die Zeit bis zum Start war dann doch ziemlich lang und eine Banane und zwei Müsliriegel waren viel zu wenig, so dass ich mit Hunger am Start stand. Nicht gerade optimal. Viertel nach vier. Ich glaube, ich muss mal … Normalerweise kommt das große Geschäft bei mir irgendwann am späten Vormittag, aber da soll ich heute auf dem Rad sitzen, also super wenn es jetzt schon klappen würde. Es klappt. Ich bin jetzt gut gelaunt, prüfe zum 23sten Mal mein Gepäck. Natürlich ist alles da, wo soll es denn über Nacht hingekommen sein. Sind ja auch nur noch die Sachen für den Schwimmstart und für nach dem Rennen, Fahrrad sowie die Sachen für den ersten und zweiten Wechsel sind schon seit gestern an Ort und Stelle.

4:25. Ich rufe Torsten an. Er wird mich heute Morgen abholen und in Richtung Schwimmstart auf die Reise bringen. Er geht sofort dran, hat seinen Wecker also nicht überhört oder vergessen zu stellen. Guter Mann. Ich frühstücke noch ein bisschen weiter und lasse die Gedanken um das kreisen, was heute so vermeintlich auf mich zukommen wird. Um 10 vor 5 höre ich ein Auto unsere Strasse hochfahren. Ich schnappe mir meine Tüten und gehe raus. Ich erkenne Torstens Wagen und ziehe die Tür leise zu.

Torsten sieht etwas müde aus, ist aber trotzdem gut drauf. Als alter Schwimmer freut er sich auch darauf, den ersten Teil des Wettkampfes mal live zu sehen, Rad und Lauf hat er in den letzten Jahren ja schon öfter an der Strecke verfolgt. Wir fahren auf die Friedberger Strasse in Bad Vilbel, wo später die Radstrecke verlaufen wird. Noch ist davon nix zu ahnen. Auch am „Heartbreak Hill“ ist alles ruhig. Wer soll dort um 4:55 am Sonntag Morgen auch sein? Wir unterhalten uns tiefschürfend über das bevorstehende Rennen, die Profis und das zu erwartende Wetter. In Frankfurt fallen vor uns ein paar Gestalten über die Strasse, die sind offensichtlich noch auf ihrem nächtlichen Zug durch die Gemeinde. Am Paulsplatz steht schon ein Sonderbus „Ironman“ bereit. Ich verabschiede mich schnell und springe in den Bus, der schon fast voll ist und wo auch recht viele Leute noch etwas unschlüssig davor stehen und warten. Mehr als ein Stehplatz ist nicht mehr zu haben. Nach 2-3 Minuten geht’s los, ein weiterer Bus ist nicht zu sehen. Ich bin froh, diesen erwischt zu haben. Im Race Office hieß es gestern, die Busse würden unmittelbar nacheinander fahren: Wenn einer voll ist fährt er los, der nächste wartet schon. Einige Athleten sollen dann aber schlussendlich erst gegen 6:30 in der Wechselzone angekommen sein, und das bestimmt nicht, weil sie erst um 6:00 an der Abfahrtsstelle gewesen wären…. Unser Bus gondelt gemütlich durch die Gegend, u.a. über A3 und A5, nach den Ortskenntnissen meiner sieben Jahren in Frankfurt und Umgebung bin ich mir ziemlich sicher, dass der gute Mann nicht den kürzesten Weg fährt, die Autobahn macht keinen Sinn. Aber vielleicht sind ja wegen dem Wettkampf auch irgendwelche Strassen schon gesperrt, wer weiß. Immerhin kann der Bus schließlich auf der B44 von Norden an den Langener Waldsee ranfahren, die Schlange der Privatwagen aus südlicher Richtung sieht nicht gut aus. Unser Bus muss noch ca. 10 min warten, bis die anderen Busse aus Zufahrt und Wendehammer am See raus sind, dann können die nächsten ca. 5 Busse rein. Wir sind auch dabei. Um ca. 6:00 bin ich in der Wechselzone. Eine Stunde bis zum Start um 7:00 habe ich aber auch definitiv eingeplant. Aus den Lautsprechern tönt einem schon etwas bemühte Fröhlichkeit entgegen (6 Uhr morgens!), Infos zum Rennen werden durchgegeben, ansonsten Gute-Laune-Musik.

Startvorbereitung

Als erstes kümmere ich mich ums Fahrrad: Die weiße Plastikplane, die alle Räder über Nacht geschützt haben, ist noch drauf, ich ziehe sie runter. Sie wird fast sofort von Helfern eingesammelt, damit sie nicht im Weg rumliegt. Nicht schlecht. Dann bringe ich meine beiden Trinkflaschen mit Maltokonzentrat (3:1) in den Flaschenhaltern unter. Die Wasserpulle auch, etwas Wasser geht auch direkt in die Aerobottle vorne am Lenker. Dann will ich die Reifen wettkampfgerecht aufpumpen. Zahlreiche Kollegen haben ihre eigenen Standpumpen dabei. Da man diese aber laut Veranstalterinfo nicht in die Kleidungsbeutel für die Klamotten nach Zieleinlauf tun darf, habe ich darauf verzichtet, meine eigene mitzubringen. Wo soll ich die Pumpe sonst lassen? Es soll ja genügend Pumpen vom Veranstalter vor Ort geben. Also laufe ich los und frage verschiedene Leute, ob das ihre Pumpe sei oder eine vom Veranstalter. Scheinbar haben alle eigene Pumpen dabei. Endlich finde ich eine öffentliche Pumpe, die ich auch gleich mitnehmen kann. Leider bekomme ich damit keine Luft in meine Reifen. Also los zum zentralen Bikeshop an der Wechselzone. Zum Glück treffe ich auf dem Weg dorthin schon einen der Mechaniker, der auch direkt mit mir an meinem Rad selber Hand anlegt. Auch er kommt mit der Pumpe nicht klar, auch mit Adapter nicht, den man aber gar nicht brauchen sollte, da ich ganz normale französische Ventile habe. Er sichert mir zu, dass er gleich wieder da ist mit einer anderen Pumpe und verschwindet in der Menge. Dank seines knallgrünen T-Shirts kann ich ihn noch sehen, werde aber trotzdem ein bisschen unruhig. Ohne ordentlichen Druck von ca. 8 bar in den Reifen rollt es nicht nur deutlich schlechter, auch die Pannensicherheit ist geringer. Am Tag vorher aufpumpen ist auch nicht optimal, da dann schon wieder ein bisschen Druck rausgeht. Oder die Sonne brennt noch auf die Reifen und der Druck erhöht sich, möglicherweise mit Reifenschaden. Da ich aber auch noch anderes zu tun habe, vergesse ich erstmal die Reifen und lade meine Riegel in die kleine Tasche („Speedbox“) auf dem Oberrohr. Sechs ganz normale Müsliriegel kommen da rein bei mir, mit dem pappsüßen und superklebrigen PowerBar-Krams kann ich im Rennen nicht so viel anfangen. Zwei PowerBars habe ich aber noch, gabs mal als Werbegeschenk irgendwo, einen mache ich jetzt auf und beiße rein. Dazu ein Schluck von der Maltoplörre, so was von lecker (schüttel), erinnert an Tapetenkleister. Dann noch eine kleine Banane. Kaum habe ich das zweite Frühstück beendet, sehe ich ein Grünhemd mit Pumpe in meiner Nähe. Bevor ich ihn ansprechen kann fragt er mich, wo denn Startnummer 1066 wäre. Das ist meine. Er hat eine andere Pumpe mitgebracht, die funktioniert problemlos. Er pumpt mir meine Reifen auf, eine Sorge weniger. Jetzt noch ein Gel auf den Rahmen festkleben mit Tape. Hält nicht so toll, da der Rahmen trotz Schutzplane irgendwie feucht geworden ist. Bei nächsten Mal (???) besser schon am Vortag ankleben! Von irgendwoher höre ich es rufen „Karsten!“. Da es sicher noch mehrere Teilnehmer mit meinem Namen gibt, schaue ich nicht so genau hin. Aber dann rufts noch mal und ich sehe Torsten am Zaun stehen. Ich gehe hin, kreuze dabei die Wechselzone der Profis, wo sich einige mit Sprints warmmachen. Mit reichen die 226km, um langsam warm zu werden, also keine Sprints heute morgen für mich. Torsten hat die Videokamera im Anschlag und filmt alles mit, so auch den Klugschnack zwischen und beiden. Was Wesentliches hat keiner zu sagen, aber es schön, ihn auch hier zu sehen. Er hat, nachdem er mich am Bus abgeliefert hat, das Auto schlauerweise irgendwo in Langen oder Dreieich abgestellt und ist mit dem Mountainbike quer durch den Wald zum See gekommen. Er wünscht mir nochmal viel Glück und ich schlendere zurück zu meinem Rad.

Das Rad ist jetzt soweit startklar, die beiden Ersatzschläuche kleben hinter dem Sattel, die Druckluftpatronen sind neben dem Flaschenhalter am Rahmen festgemacht, die Deckenheber liegen ganz unten in der Speedbox, dazu drei Inbusse für die wichtigsten Schräubchen, falls sich unterwegs was lockern sollte. Dann noch den Helm, Startnummer und Sonnenbrille auf den Lenker drauflegen und gut. Ich gehe Richtung Wechselzelt. Dabei schaue ich, in welcher Reihe der Wechselzone mein Rad überhaupt steht, damit ich es nachher auch direkt finde. Reihe 4. Das Wechselzelt ist direkt hinter den Ständern mit den blauen Kleiderbeuteln für Wechsel 1. Mein Beutel ist da wo ich ihn gestern hingehängt habe, ich lockere die Verschürung etwas, damit ich ihn mit klammen Fingern nach dem Schwimmen auch aufbekomme und hänge ihn wieder an den Haken. Auf den Bierbänken im Wechselzelt mache ich sitzend ein paar Dehnungsübungen für die Beine und gehe zurück zum Rad. Es steht immer noch in Reihe 4 an Platz 1066, welch Überraschung. Jetzt raus aus den Klamotten, rein in den Neoprenanzug. Drunter habe ich nicht wie fast alle anderen die Radklamotten an, ich will nicht nass aufs Rad. So stark ist der Fahrtwind bei mir nicht, dass das ruckzuck trocken wäre…. Mit anderen Worten, ich habe nichts drunter unter dem Neo, nur den Brustgurt vom Pulsmesser. Schnell noch den Rest vom PowerBar. Die normalen Klamotten in die weiße Tüte und ab damit in den Container am Ende der Reihe. Gut organisiert. Vor das Rad noch ein Handtuch auf den Boden und die Radschuhe mit Socken draufgestellt, damit ich nachher die Füße schnell abstreifen kann und nicht mit Dreck oder gar Steinchen unter den Fußsohlen in den Schuhen auf dem Rad sitze. Dann ist aber wirklich an alles gedacht, die Wechselzone hat sich auch schon merklich geleert und ich gehe im Neo und mit Badekappe und Schwimmbrille auf dem Kopf in Richtung Schwimmstart. Meine Maltoflasche ist noch dabei und ich trinke ein paar Schlucke. Der Weg zum See ist mit Gummimatten ausgelegt, damit man barfuss nicht irgendwo reintritt. Einige Athleten haben zusätzlich alte Turnschuhe an, die sie dann kurz vor dem See ausziehen und stehen lassen. Einer hat seine extra mit „Müll“ beschriftet. Ich stelle meine Flasche, die jetzt fast leer ist, dazu. Ein Blick noch über den See, einer auf die Uhr: 6:55. Moment, wieso konnte ich eigentlich die Werbebanner auf den Pontons im See problemlos lesen? Habe ich die Kontaktlinsen noch drin? Ja klar, schnell raus damit, sind ja Eintageslinsen, also weg damit. Das wäre ein Spaß geworden mit Contis und der Sonnenbrille mit den Gläsern ebenfalls in meiner Stärke auf dem Rad ….

Schwimmen

Die ersten Schritte in den See sind nicht gerade sehr angenehm, mindestens knöcheltiefen Algen-Schlick-Glibber gilt es zu durchqueren, nach 3-4 Schritten ist es aber geschafft und ich dümpele auf dem Neo im Wasser. Ein paar lockere Kraulzüge und ich mache mich auf den Weg rüber auf die linke Seite des Starterfeldes. Da sind zwar auch nicht weniger Leute als rechts, aber eventuell kann ich bei der ersten Wendemarke das Gedränge ganz innen vermeiden. Schon erklingt die deutsche Nationalhymne (was soll die eigentlich hier?), ich paddele etwas weiter nach vorne, ca. fünfte Reihe. Die Absperrleinen werden weggezogen, gleich müsste es abgehen. Plötzlich schwimmt alles los, ich natürlich auch. Flaggen habe ich nicht gesehen, Startschuss auch nicht gehört, egal, ab geht’s.

Ich komme gut in meinen Rhythmus rein, links und rechts von mir wird auch heftig auf das Wasser eingeprügelt, die befürchteten Rempeleien oder gar schlimmeres bleiben aber aus. Natürlich berührt man sich ab und zu mal, ist aber alles offensichtlich unabsichtlich und harmlos. Ich schwimme konstant im 3er-Zug, also einmal links atmen, dann nach drei Armzügen rechts usw. Aus dem Training weiß ich, dass ich mit 2er-Zug deutlich höheren Puls habe und auch nur unwesentlich schneller bin, also ist 3er die richtige Frequenz für mich bei so einer Ausdauerübung, Puls immer so um die 145 im Training. Den Pulsmesser nutze ich jetzt allerdings nicht, kann die Anzeige im Wasser sowieso nicht ablesen, da reichen mir die Trainingserfahrungen.

An der Wendemarke bin ich überraschender Weise ganz innen, viele andere sind auch schon da und ich muss ein paar Züge brusten, dann geht es aber schon weiter ohne Zwischenfälle Richtung Landgang nach ca. der Hälfte der Strecke. Meine Uhr zeigt mir dort 33 Minuten, das ist bombig für mich für ca. 1850 Meter. OK, ca. 6-8 Sekunden pro 100m gehen auf Konto des Neoprenanzuges, aber daran allein wird es nicht gelegen haben, dass es sich bis hierher zwar nicht supereasy angefühlt hat, aber doch eher wie 15 Minuten als 33. Beim Landgang sind ca. 20m zurückzulegen, ich renne aber ganz bewusst nicht sondern gehe und werde von ein paar Leuten überholt. Ich höre meinen Namen und winke irgendwohin, nachher sollte ich sehen, dass Torsten mich voll drauf hat auf seinem Video. Schon geht’s wieder ins Wasser auf die zweite Runde von ca. 1950m, für die ich 35 Minuten brauchen sollte. Einmal schwimme ich ein bisschen vom rechten Weg ab, der Fahrer eines Begleitkanus sagt mir aber Bescheid und ich visiere wieder die nächste Boje an. Die zweite Runde verläuft wie die erste, etwas enger an den Wendemarken, sonst nur geringe Feindberührungen und ich erreiche problemlos das Ende des Schwimmens in einem 100m-Schnitt von 1:49min. Das Gefühl eine von drei Disziplinen bereits hinter sich zu haben empfinde ich als etwas irreal, nach insgesamt eineinhalb Jahren Vorbereitung mit dem Ziel Ironman im Kopf soll jetzt ein Drittel bereits vorbei sein? Zum Glück ist Schwimmen ja die kürzeste Disziplin dabei und zeitlich betrachtet bleiben mir noch 90 Prozent des Wettkampfs, von der Entfernung her sogar noch 98%, welche ein Glück. Die Leute stehen dichtgedrängt am Schwimmausstieg und es ist richtig laut, was beim Erklimmen des doch recht steilen Hanges durchaus hilft. Ich gehe wieder, obwohl alle anderen laufen, will aber lieber meinen Puls im Zaum halten und meine Wade schonen. 5 Tage vor dem Rennen habe ich mir beim ganz normalen Treppensteigen noch eine leichte Wadenzerrung geholt, die ging mit schulbuchmäßigem Druckverband, Dehnen und Kühlen aber ganz gut weg, zur Sicherheit habe ich aber während des ganzen Wettkampfes heute einen Druckverband um die Wade. Auch deshalb also jetzt kein Sprint den Berg hoch. So habe ich keine Probleme, den Neo schon mal in Ruhe bis zur Hüfte runterzubekommen.

Wechsel 1

Ich schnappe mir meinen Beutel vom Ständer und gehe ins Wechselzelt: Neo ganz runter, Tria-Einteiler an, vor dem hochziehen aber noch dick Melkfett auf die empfindlichen Stellen im Schritt als Vorbereitung fürs Radfahren und die 6 Stunden oder mehr im Sattel. Dann die Binde von der Wade runter, eine neue trockene drumgewickelt. Langärmeligen Pulli und Armlinge, fertig. Ich schnappe mir die Schwimmsachen und die Tüte und jogge jetzt locker auf flachem Terrain zum Rad. Die lange Hose und die Windweste bleiben in der Tüte, genauso wie die Handschuhe. Besser ein paar Dinge zu viel zur Auswahl zu haben, damit man je nach Wetter und Körper- und Geisteszustand nach dem Schwimmen die ein oder andere Alternative hat. Wenn das Wasser oder Luft eiskalt gewesen wäre am frühen Morgen, hätte ich mich eventuell über die Handschuhe gefreut, wer weiß. Jetzt ist der Himmel aufgelockert bewölkt und ich freue mich auf die vorhergesagte Sonne.

Reihe 4 ist problemlos zu finden, mein Rad auch. Der Kollege neben mir ist schon weg, er hatte vorher wie ich 1:10 als Ziel fürs Schwimmen angegeben. Meine Schwimmsachen und die halbleere Tüte landen in der Plastikwanne, die Füße werden auf dem Handtuch ein bisschen abgestreift, Socken an und auch die Schuhe. Dann Brille auf, Helm und Startnummer um, Rad von der Halterung nehmen und locker zum Ausgang der Wechselzone joggen. Schnell kann man mit den Radschuhen ja sowieso nicht laufen. Am Ausgang ist es etwas eng, aber ich habe es ja nicht so super eilig. Das zeigt sich dann auch bei der späteren Analyse der Zeiten, habe insgesamt 9 Minuten für den Wechsel benötigt, inklusive der ca. 400m vom Schwimmausstieg bis zum Ausgang der Wechselzone. Dabei haben mich ca. 200 Leute überholt und ich bin vom 800sten Platz nach dem Schwimmen auf 1000 zurückgefallen. Gut wenn man für mögliche zukünftige Aktivitäten noch Verbesserungsspielraum hat …

Rad

Nach dem Ausgang aus der Wechselzone steige ich also auf, rolle ein bisschen mit den noch nicht eingeklickten Schuhen, suche die Pedale, klicke ein und gebe etwas Gas. Die ersten Meter sind reichlich mit Schlaglöchern übersäht, so dass ich insbesondere darauf achte, nicht irgendwo rein zu fahren und keinen Plattfuss zu riskieren. Bald ist aber die B44 erreicht und dort rollt es dann schon ganz gut. Ich werde pausenlos überholt, schaue auf Tacho und Pulsmesser. Beide zeigen mit ca. 35km/h bzw. Puls 135 eigentlich etwas zu hohe Werte für meine Verhältnisse und meinen Plan an, so dass ich sogar noch etwas Tempo rausnehme, zumal der Wind direkt von vorne kommt. Alsdann mach ich es mir auf dem Aerolenker bequem und rolle mit Puls 130 und ca. 32 km/h Richtung Frankfurt. Die Kollegen haben meist andere Ziele und fliegen links an mir vorbei. Auch ich überhole sporadisch, überraschend viele Kollegen machen schonmal Pinkelpause am Streckenrand. Ich trinke lieber erstmal etwas Wasser. Die Strecke Richtung Frankfurt ist jetzt autobahnähnlich, es rollt gut und bald ist Sachsenhausen und die Untermainbrücke erreicht. Der Himmel ist jetzt geschlossen bewölkt, ich freue mich über die langen Ärmel. Zuschauer sind erst spärlich vertreten, aber es gibt schon vereinzelt Applaus. Dann geht’s zum ersten Mal am Römer bzw. Eisernen Steg vorbei und über die Hanauer Landstrasse flach weiter Richtung Osten. Die ersten Schlucke aus der Maltoflasche sind nun auch fällig, aber immer schön mit Wasser nachspülen, schließlich habe ich das Malto 3:1 konzentriert. Damit es isotonisch bleibt, müssen auf jeden Schluck Malto drei Schlucke Wasser kommen, sonst kann der Magen die Pampe gar nicht verarbeiten. Mein Wasservorrat neigt sich dem Ende entgegen und noch dauert es etwas bis zur ersten Verpflegungsstelle in Bergen-Enkheim. Den Berg kurz davor fahre ich ganz entspannt mit kleinem Gang, einige Kollegen fliegen mit großem Blatt dort hoch. Ich lasse mich nicht beirren und pedaliere schön weiter, oben wird mein Name vom Streckensprecher genannt und ich hebe dankend den Arm, greife mir eine große Flasche Wasser von den Helfern. Die Hälfte fülle ich direkt in die Aerobottle, der Rest kommt in den Flaschenhalter. Weiter geht’s durch Bergen-Enkheim, der Puls ist jetzt bei 145 wegen der Steigung, also fahre ich locker weiter bis zur Gefällstrecke hinter dem Ort, wo der Puls dann auf ca. 120 runtergeht und ich bis ca. 55km/h kräftig in die Pedale trete und dann erst mal rollen lasse. Erstaunlich, dass es ziemlich viele Mitstreiter vorziehen, sich ausgerechnet bergab nicht in aerodynamisch günstiger Position auf dem Aerolenker aufzuhalten, sondern stattdessen entspannt aufrecht den Oberlenker greifen. So kann ich auch mal eine handvoll Leute am Stück überholen. Einer davon hat sein Gesäß angehoben und „lässt es am Bein runterlaufen“. Auch ich spüre die Notwendigkeit einer Pinkelpause und wähle dazu den Ortseingang von Maintal-Hochstadt, wo es leicht bergan geht und kaum Zuschauer stehen. Ich klicke beide Schuhe aus den Pedalen und halte an, behalte das Rad zwischen den Beinen und verrichte mein Geschäftchen. Nach ca. einer Minute geht’s weiter und alle, die ich gerade überholt habe und ein paar mehr sind natürlich wieder an mir vorbei. Maintal-Hochstadt! The Hell! Kopfsteinpflaster! Noch sind es ein paar hundert Meter bis dorthin, also schnell die halboffene Aeroflasche vorne im Lenker noch ganz austrinken, bei dem zu erwartenden Gerüttel fliegt einem das sonst alles um die Ohren. Das hatte ich schon im Training. Die Leute stehen dicht an dicht, die Stimmung ist ganz passabel. Ich hatte aber etwas mehr erwartet. Ich nehme den Abschnitt im Sitzen, auch wenn es im Stehen am Hintern weniger rütteln würde. Aber für die Wade, die bisher keinerlei Probleme macht, ist es so besser, denke ich. Das Kopfsteinpflaster ist sehr gleichmäßig und eigentlich ziemlich eben, bei den Frühjahrsklassikern in Belgien würden sich die Radprofis über die hiesigen Straßenverhältnisse vermutlich richtig freuen, für den Moment halte ich den Lenker aber lieber fest umklammert und konzentriere mich, damit ich nicht auf der Nase lande. Nach der Ausfahrt aus der „Hölle“ durch das Stadttor fülle ich neues Wasser in die Aerobottle und schaue, dass ich kalorien- und flüssigkeitsmäßig nicht ins Hintertreffen gerate: Jede Stunde einen Müsliriegel (100 Kcal), 1/3 von einer der zwei 3:1-Maltoflaschen (=250ml, ca. 550 KCal) in derselben Zeit, dazu mindestens die dreifache Menge Wasser. Ab und zu noch eine Banane (ca. 100 Kcal), insgesamt vielleicht vier Stück beim Radeln, so ist der Plan, in Summe also ca. 4200 Kcal auf dem Rad.

Schon geht es nach Wachenbuchen, wo hinter dem Ort der Hühnerberg mit ca. 80 Höhenmetern wartet. Wieder halte ich mich bewusst zurück, kleiner Gang und Puls von um die 150. Die Zuschauer hier sind zwar nicht an einer Hand abzuzählen, aber da der Anstieg nicht direkt in einem Ort liegt, sind nicht allzu viele um jetzt ca. 9:30 hier. Nach dem „Gipfel“ geht es die ganzen Höhenmeter direkt wieder runter und ich markiere meine Höchstgeschwindigkeit für den Tag mit 64 km/h, allerdings ohne dass ich es wirklich auf Höchstgeschwindigkeit angelegt hätte. Niederdorfelden. Zwei eckige Kurven warten, einmal ca. 100 Grad nach rechts, dann 300 Meter später ca. 120 Grad nach links. Alles vorbildlich mit Strohballen gesichert, ich habe aber keinen Bedarf deren Weichheit zu prüfen und rolle recht vorsichtig vorbei. Am Ortsausgang ragt eine Ecke des Bürgersteigs in die Straße hinein, wie bei der Tour steht hier ein Helfer mit Flagge und warnt die Fahrer. Leicht ansteigend geht’s durch Rendel weiter Richtung Karben, ich halte meinen Puls im Zaum und fahre ohne echten Druck auf den Pedalen. Laut Tacho liegt mein Schnitt bisher knapp unter 27 km/h, das ist nach meinen Trainingswerten voll im Plan, insbesondere da der schnellere weil flachere nördliche Teil der Strecke gerade erst beginnt. In Karben an der Gehspitzkehre (ca. 150 Grad Rechtskurve) werden die Fahrer beim Namen (Vor- und Nachname, obwohl nur der Vorname auf der Startnummer steht) per Lautsprecher angefeuert, hier ist man allem Anschein nach gut vorbereitet. Karben zieht sich über etliche kurvige Kilometer hin, am Ortsausgang wohnt unser Babysitter. Sie wollte der Partymucke und Dauerfete ab dem frühen Morgen direkt vor ihrem Haus jedoch entfliehen und zog die auswärtige Übernachtung bei ihrem Freund vor. Als ich den Ortsausgang passiere, verliert sich dort ein knappes Dutzend Menschen, Durchschnittsalter ungefähr meiner Tageshöchstgeschwindigkeit entsprechend. Das Surren meiner Kette ist das lauteste, was ich wahrnehmen kann.

Die Strecke schlängelt sich weiter fröhlich vor sich hin, leicht hügelig geht’s durch Burg-Gräfenrode, Ilbenstadt und Bruchenbrücken. In den Orten ist der Wind nicht so spürbar, außerhalb bläst er mir stetig aus Norden direkt ins Gesicht. Kurz vor Ilbenstadt ist die Kompletterneuerung der Fahrbahn gerade noch rechtzeitig fertig geworden, es liegt nur dort kein die Rennreifen aufschlitzender Split mehr, wo schon einige Autoreifen entlanggerollt sind. In Bruchenbrücken fällt mir ein älterer Herr auf, der seinen Stuhl nebst mehrerer Bierflaschen an die Strasse gestellt hat und sich die Durchfahrt der Bekloppten nicht entgehen lassen will, auch wenn er vermutlich keinen Schimmer hat, was der Sinn der Veranstaltung sein soll, die sich da durch sein Dorf schlängelt. Den treffend zu erklären, hätten die meisten Teilnehmer, mich eingeschlossen, selber wahrscheinlich aber auch Probleme.

Schon ist Friedberg erreicht, es wird vorerst noch am Rande durchfahren, so dass die Partyzone „Burgmeile“ im Zentrum erst auf der Rückfahrt drankommt. Ich rolle vorerst durch menschenleere Strassen, nur vereinzelt lassen sich ein paar Leute blicken. Ein paar Kinder sind immer dabei, die einem die Hand entgegenstrecken um abgeklatscht zu werden, oder die begeistert weggeworfene Trinkflaschen aufsammeln. Jetzt ist Bad Nauheim erreicht, der nördlichste Punkt der Strecke, ab hier gibt’s jetzt Rückenwind! Am Kreisel nach den Salinen sind viele Leute versammelt, sitzen auf Bierbänken und trinken und essen was, Musik und ein Ansager sorgen für etwas Atmosphäre. Der Kreisel ist komplett für den Verkehr gesperrt, so dass wir Radler die 90 Grad Linkskurve auch mit Schwung auf dem kürzesten Weg nehmen können und nicht fast den ganzen Kreisel gegen den Uhrzeigersinn durchfahren müssen wie im Training im Alltagsverkehr. Dann ist Friedberg wieder erreicht, nach einem kleinen Anstieg geht’s auf die Kaiserstrasse, die heute „Burgmeile“ heißt. Bei den Berichten aus dem letzten Jahr, wo von 300.000 Leuten an der Gesamtstrecke die Rede war, habe ich mir Friedberg immer als komplett mit Menschen gesäumten Streckenabschnitt vorgestellt, an dem kaum ein Durchkommen ist. Heute Morgen stellt es sich hier sehr übersichtlich dar, nach ca. 200 Metern ist der Zauber schon wieder vorbei, und die 200 Meter selbst machten auch eher den Eindruck, dass die Leute sich zwischen der ersten und zweiten Durchfahrt der Spitze des Feldes noch mal hingelegt hätten. Mir soll’s egal sein, am Ortsausgang gibt’s neue Getränke und Verpflegung! Ich nehme wieder nur Wasser und eine Banane. Die Bananen sind halbiert und an der Schnittfläche kreuzförmig eingeschnitten, so dass man sie einhändig mit den Zähnen öffnen und essen kann. Jetzt beginnt einer der schnellsten Abschnitte der Strecke, zwischen Friedberg, Ober- und Niederwöllstadt sowie Okarben, Kloppenheim und Bad Vilbel gibt es lange Geraden, die teils sogar leicht abschüssig sind, dazu der Rückenwind. Mein Schnitt steigt nun deutlich an bis auf knapp 29 km/h, natürlich wäre es reizvoll auf einen 30er Schnitt zu kommen, aber ich will ja nach dem Radeln noch ein bisschen Laufen und außerdem sind es auch noch über 100km auf dem Rad. Wenn man sich gut fühlt, sollte man statt unkontrolliert Gas zu geben eher versuchen, mehr Energie in den Tank zu bekommen für später. Also esse und trinke ich. Wenn man sich schlecht fühlt oder man sich über den Wind oder sonstwas ärgert, ist dies oft ein Zeichen von niedrigem Blutzucker. In diesem Fall sollte man – etwas essen und trinken! Eigentlich muss man hier permanent Essen und Trinken, 8.000-10.000 Kcal werden beim Langdistanztriathlon eben benötigt, zumindest bei meinen ca. 90kg (ohne Rad). Aufnehmen kann der Körper zwar nur so um die 5.000 am Tag, der Rest kommt aus den Glykogen- und Fettspeichern des Körpers.

So langsam aber sicher neigt sich die erste Radrunde dem Ende entgegen, Bad Vilbel kommt in Sichtweite. Ich werde jetzt auch kaum noch überholt, bin scheinbar soweit durchgereicht worden, dass ich an der Stelle im Feld fahre, die meinem Leistungsvermögen entspricht. Erster Ortsteil von Bad Vilbel ist Dortelweil, wo mein persönliches Highlight des Tages wartet: Die Durchfahrt durch meinen Wohnort, wo Familie, Freunde und Nachbarn an der Strasse stehen. Ich habe angekündigt, bei der ersten Durchfahrt so gegen 11:30 mal kurz anzuhalten. Ich bin 15 Minuten zu früh, mal sehen ob die Mädels schon bereit sind…. Kurz vor der Einmündung unserer Strasse bremse ich ab und fahre auf den Bürgersteig, rolle langsam auf die Meute zu. Großes Hallo allerseits, meine Familie ist auch da und ich halte an. Als erstes gibt’s ein aufmunterndes Küsschen von meiner Frau. Meine Kinder Mara und Joshua bedenke ich mit je einer leeren Trinkflasche, sie haben aber schon einige gesammelt und sind nicht wirklich begeistert. Ein Krankenwagen, der meine Kinder wesentlich mehr interessiert, fährt auf der Radstrecke entgegen der Fahrtrichtung der Räder vorbei, hier ist die Strasse nur einseitig für das Rennen gesperrt, auf der anderen Seite geht aber gar nichts und die Autos stehen dicht an dicht. Kurz vor Dortelweil hatte ich einen Fahrer am Boden gesehen, er lag bereits unter einer Rettungsdecke und war von mehreren Leuten umringt. Armer Kerl.

Da der Himmel mittlerweile wieder aufgelockert bewölkt ist und die Sonne durchblitzt, ziehe ich meine Armlinge und das langärmlige Radtrikot aus und gebe sie meiner Frau. Dann ist es auch höchste Zeit weiterzufahren, ich schlängele mich wieder auf die Strecke. Sprinttriathlonroutinier Michael F. aus unserem Verein fährt auf seinem Touringrad noch bis zum „Heartbreak Hill“ neben her und erzählt mir, was im Rennen an der Spitze bisher so passiert ist. Wegen der nicht ganz regelgerechten Nebenherfahrerei bin ich froh, dass gerade keine Kampfrichter zu sehen sind. Den Berg hoch geht’s durch ein Spalier von Leuten, welches umso dichter ist, je steiler der Berg nach oben hin wird. Ganz oben kann man nicht mehr nebeneinander fahren, es ist wirklich ein enger Kanal wie aus dem Fernsehen von Radsportübertragungen gewohnt, dazu Partymucke und viel Geschrei von den Leuten. Geil. Oben gibt’s noch mal Nahrung und dann sind es nur noch ca. 10km bergab bis nach Frankfurt an den Römer, welche wie im Fluge vergehen. Die erste Runde ist geschafft, zusammen mit der Anfahrt vom Langener Waldsee ist das bereits etwas mehr als die Hälfte der Radstrecke. Die zweite Radrunde beginnt mit der Durchfahrt Römer/ Eiserner Steg, wo recht viele Zuschauer die Athleten anfeuern. Dann geht’s durch Frankfurts Osten, wo die menschenleeren Straßen den Charme eines Industriegebietes versprühen. Hier kommt mir die Schinderei zum ersten und einzigen Mal etwas monoton vor, ich kümmere mich jedoch gezielt um meine Nahrungsaufnahme, so dass sich erst gar keine trüben Gedanken einnisten. Die zweite Runde gestaltet sich im Großen und Ganzen wie die erste, ich kann meinen Rhythmus gut halten. Beim Wasserlassen hat es sich bei einmal pro Stunde eingependelt, etwas zu oft eigentlich, aber besser etwas zu viel trinken als zu wenig, zumal es ja auch noch richtig warm werden soll. Zum Glück habe ich in mein Maltogemisch auch genügend Salz reingetan, so dass ich nicht Gefahr laufe durch das Schwitzen und häufige Pinkeln zu viel davon zu verlieren. Die Kopfsteinstrecke in Maintal-Hochstadt ist beim zweiten Mal wesentlich besser besucht, gute Party dort und echtes Gänsehautfeeling. Die zweite Durchfahrt in Dortelweil nutze ich absprachegemäß nicht zu einem weiteren Stop, sondern fahre mit La Ola an den Fans vorbei. Am Heartbreak Hill ist Michael wieder zur Stelle und schiebt mich noch ein wenig an, die finale Abfahrt nach Frankfurt ist ein Genuss im Bewusstsein, Teil 2 so gut wie geschafft zu haben und sozusagen bereits ein 2/3-Ironman zu sein. Aber was ist das schon wert, der dritte und vermutlich härteste Teil kommt ja erst noch. Wie werden sich die Beine anfühlen bei den ersten Schritten? Kommt irgendwann der Einbruch, den ich durch die sehr vorsichtige Tempowahl beim Radeln unbedingt zu vermeiden gesucht habe?

Wechsel 2

Kurz vor der Wechselzone schlüpfe ich aus den Schuhen, fahre mit den Füssen auf den Schuhen weiter. Kaum an der Wechselzone angekommen reißen mir mehrere Helfer fast das Fahrrad weg, ich kann gerade noch den Pulsmesser, den ich am Lenker befestigt hatte, abmachen und mir anschließend ans Handgelenk binden. Nach einem Zwischenstopp auf dem Dixi bekomme ich meine Tüte mit den Laufsachen angereicht und eiere weiter ins Wechselzelt. Nach 6:31 auf dem Rad (Platz 1550 beim Radfahren, Platz 1450 gesamt im Wettkampf bis hierhin, somit 450 Plätze beim Radfahren verloren, zum Glück wusste ich vorher welches meine schlechteste Disziplin sein würde) fühlt sich die Fortbewegung auf zwei Beinen zuerst doch recht komisch an, wenn es auch für den Rücken eine Wohltat ist aus der gebückten Haltung rauszukommen. Ich ziehe meinen Radeinteiler aus und Laufhose und Laufshirt an, auch die Socken wechsele ich. Dann noch die Kappe gegen die Sonne, bei meiner Frisur sehr zu empfehlen. Ich frage nach Sonnencreme, man hat aber keine. Hatte ich nicht in den Berichten von den Vorjahren gelesen, dass es in der Wechselzone hilfreiche Hände mit reichlich Sonnencreme geben sollte? Vermutlich wegrationalisiert oder nur bei mehr als 35 Grad verfügbar. Auf jeden Fall habe ich ca. 4 Minuten in der Wechselzone zugebracht incl. Dixistop, auch kein Rekord, aber in Ordnung, finde ich.

Marathon

Abschließend greife ich mir meine 0,5 Liter Plastiktrinkflasche, die ich während des ganzen Laufes mitzunehmen gedenke. Malto 1:1 ist da drin. Der Geschmack läuft mir aber schon beim ersten Schluck nicht gut rein, kein Wunder, das Zeug war schon fast den ganzen Tag mein Hauptnahrungsmittel. Vor der nächsten Verpflegungsstelle schütte ich den Kleister weg und fülle mehrere Becher des angebotenen Isodrinks ein. Das Auf- und Zuschrauben der Flasche stellt kein Problem dar, und mit der Flasche in der Hand trinke ich einfach mehr und regelmäßiger als wenn ich nur an den Verpflegungstischen einen oder zwei Becher greife, von denen dann auch noch die Hälfte verschlabbert wird. Kaum auf der Laufstrecke kommt mir auch schon Normann Stadler als Führender entgegen, natürlich auf den letzten Metern seiner dritten und letzten Laufrunde. Cool, dass ich es noch auf die Laufstrecke gepackt habe, bevor der erste im Ziel ist, denke ich. Bisher war ich zwar mit allen Cracks in einem Rennen, habe aber bis auf die Zeit vor dem Start natürlich niemanden davon gesehen. Zum Glück auch nicht beim Radfahren, das hätte geheißen, dass ich überrundet worden wäre, was nun wirklich nicht sein muss. Cameron Brown und Markus Forster auf den Plätzen zwei und drei fallen mir nicht auf, dafür aber z.B. Zäck und Widmann. Und Holzner, der zwar gar nicht so schlecht aussieht, wie ich finde, aber ewig weit hinter der Spitze zurückhängt. Und dann Hundertmarck, gehend, und gerade erst das Armband für die zweite Runde bekommen, au Backe, das tut schon beim Zuschauen weh. Aber der Iron-Spirit lässt selbst die Profis kämpfen, selbst wenn sie nichts mehr gewinnen können. Ein DNF (did not finish) will keiner bei seinem Namen in der Ergebnisliste stehen haben. Ich auch nicht, aber mir geht’s auch noch ziemlich gut, bin gut in den Laufrhythmus gekommen und nehme den kleinen Anstieg über Kopfsteinpflaster auf die Brücke in Angriff. Oben wartet schon mein alter Kumpel Georg, wie üblich mit Babyjogger und seinem Sohn drin und läuft neben der Strecke und mir her. So haben wir auch schon beim Frankfurt Marathon 2004 einige Kilometer zurückgelegt, diesmal bleibt es bei ein paar hundert Metern, die mich aber mit extra Motivation versorgen und auch mental willkommene Abwechslung bieten. Meine Frau Sabina ist auch da, zusammen mit meinem Vater, die Kinder sind mit meiner Mutter zu Hause geblieben. Daddy versucht sich als Fotograf (mit sehr guten Ergebnissen!), während ich meiner Frau berichte, dass ich mich immer noch super fühle und keine Materialien aus ihrem Notfallrucksack brauche (Ersatzbrille, Sonnencreme, Malto, Pflaster). Hätte ich mir mal was von der Sonnencreme auf die Schultern geben lassen … Bei den Verpflegungs-stellen schnappe ich mir immer ein bis zwei Schwämme und lasse mir das Wasser über den Kopf laufen, sehr angenehm, bin bald komplett nass und merke von der Sonne und den laut Wetterbericht 28 Grad nichts, den Sonnenbrand an den Schultern auch erst abends zu Hause, ist aber nicht wirklich schlimm, sieht eher lustig aus, da er natürlich nur dort sichtbar ist wo kein Trikot war. Auf der südlichen Mainseite geht es weiter, dort wartet schon mein Freund Rüdiger mit seiner Familie und läuft ein paar Hundert Meter nebenher. Etwas später werde ich von meinem Arbeitskollegen Markus angefeuert, den ich gar nicht unbedingt hier erwartet hatte. Es ist schon Wahnsinn, was diese Unterstützung von den Leuten bringt, das konnte ich immer sofort in Energie umsetzen und die nächsten Meter oder gar Kilometer liefen direkt etwas einfacher. Auch die Massen der mit unbekannten Zuschauer sind super motivierend, man hat immer was zu gucken und irgendeiner feuert immer an. Der Kopf ist offensichtlich ziemlich dankbar bei den langen Stunden mehr oder weniger monotonem Nichtstun mal ein bisschen Ansprache zu haben. Draußen Richtung Gerbermühle steht Bernd, der mir wunschgemäß kaltes Wasser über den Kopf kippt und seiner Verwunderung Ausdruck gibt, mich hier noch in augenscheinlich guter Verfassung anzutreffen. Das geht runter wie Öl und gibt wieder Schub. Michael B. und Torsten sind auch eingetroffen (Michael klatscht mich ab und Torsten Spielberg ist schon wieder am filmen), die kann ich natürlich alle unmöglich enttäuschen und halte weiter meinen Rhythmus. 10km habe ich jetzt schon geschafft, gleich gibt’s das schwarze Bändchen für die erste Runde! Bin bis jetzt rein nach Gefühl gelaufen und stelle beim Blick auf die Uhr überrascht fest, dass ich auf Kurs knapp über 4h für den Marathon liege, und das bei einer Bestzeit im reinen Marathon von 3:55, Plan ist eigentlich 5h für heute. Na, wird schon noch langsamer werden gegen Ende … Rüdigers Familie scheint es ausnehmend gut zu gefallen an diesem Tag am Main, sie sind bis zum Ende meines Laufens da und unterstützen fantastisch. Dann überholt mich irgendwann Lisa Bentley, die Siegerin bei den Frauen. Sie ist ungefähr halb so groß wie ich, dafür aber mindestens doppelt so schnell unterwegs, fliegt geradezu über die Strecke und ist auch schon kurz vor dem Ziel. Ich bin schwer beeindruckt, halte aber vorerst an meinem Tempo fest.

Bis jetzt habe ich beim Laufen nur getrunken, will jetzt auch mal wieder was Festes zu mir nehmen und schnappe mir eine Banane. Kaum habe ich da reingebissen muss ich mich fast übergeben, nicht weil die Banane schlecht gewesene wäre, aber der Körper mag das offensichtlich gerade überhaupt nicht. Also bleibe ich bei Getränken. Lediglich ein paar Salzkekse (Tuc oder so) kriege ich während des Marathons runter. Bei Kilometer 30 steige ich dann von Iso auf Cola um, langkettige Kohlenhydrate bringen es kurz vor dem Ziel nicht mehr so, da ist der „schnelle Zucker“ aus der Cola jetzt besser. Dass es an 2 von 5 Verpflegungsstellen keine Cola mehr gibt stört mich dabei nicht, mit dem Vorrat in meiner Trinkflasche kann ich diese Durststrecke locker überstehen. Ich muss im weiteren Verlauf nicht mehr auf Toilette, ohne die Trinkflasche dabei zu haben hätte ich vermutlich deutlich zu wenig getrunken, ist offensichtlich so auch schon knapp geworden. Sabina und mein Vater wechseln immer fleißig über den Main hin und her, so dass sie mich auf jeder Seite des Flusses je zwei Mal pro Laufrunde sehen können. Da freue ich mich jedes Mal drauf! Die Kopfsteinpflasterabschnitte bergauf und bergab sind mittlerweile bei ca. km 25 jedoch ziemlich hart für die Beine, ich gehe diese jetzt lieber. Insgesamt, so schätze ich, bin ich während des gesamten Marathons ungefähr einen Kilometer gegangen. Auf Torstens Video muss ich allerdings später sehen, dass mein Laufstil auch nicht so weit vom Gehen entfernt war, ich bekomme die Füße kaum noch vom Boden weg. Das hatte sich während des Wettkampfes allerdings alles ganz normal angefühlt, auch auf der Wegstrecke Richtung Osten, wo der Wind doch sehr deutlich von Vorne kam, so dass die Vorfreude auf die nächste Wendemarke besonders groß war.

Schließlich habe auch ich das rote und das gelbe Bändchen für die Runden 2 und 3 bekommen. Wie man sich doch über so blöde farbige Bänder freuen kann! Meine Frau übrigens auch, sie nimmt sie jetzt als Haargummis. Die Mitstreiter auf der Strecke sind jetzt im Schnitt nicht mehr ganz so beeindruckend anzuschauen wie am Anfang meines Laufes, es wird viel gegangen und offensichtlich auch gelitten, einige sitzen am Boden oder liegen gar, versuchen ihre Beine zu lockern oder sonstwie zum weitermachen zu überreden. Bei mir läuft’s nach wie vor ganz gut und ich freue mich auf das Ziel, meine Freunde und Bekannten an der Strecke freuen sich mit.

Ziel

Beim Einlauf in den Zielkanal vor dem Römerberg ist die Atmosphäre wunderbar, die Tribünen ragen menschengefüllt in die Höhe, überall schreit und ruft es, egal für wen oder warum, ich beziehe das alles jetzt einfach mal auf mich. Leider sehe ich Sabina in dem Trubel nicht, wusste vorher auch nicht wo sie stehen würde. Kurt Denk, der Präsident vom Ironman Germany, steht im Zielkorridor und moderiert irgendwas ins Mikro: “…. aber bevor wir damit starten lassen wir erst noch den Karsten ins Ziel…“ oder so ähnlich höre ich ihn und gebe Kurt die hohe Fünf. Und dann bin ich im Ziel, reiße die Arme hoch und bekomme sofort eine Medaille umgehängt! Das dicke Grinsen habe ich sowieso schon die letzten Kilometer im Gesicht gehabt. Es kommt mir etwas irreal vor, dass jetzt alles vorbei sein soll und ich schaue etwas orientierunglos in der Gegend rum. Was soll ich jetzt denn bloß machen, war gerade so schön im Rhythmus drin… Auf der Tribüne genau auf Höhe Ziellinie ist Wim Wenders schon wieder im Einsatz, hat natürlich auch meinen Zieleinlauf voll drauf. Riesendank an Torsten! Da die Kollegen knapp hinter mir auch ins Ziel wollen ist mit langem Rumstehen und Gucken auf engem Raum im Ziel aber nicht viel drin, eine nette Helferin nimmt mich am Arm und führt mich in Richtung „Athletes Garden“. Dort soll es Duschen, Massage, Whirlpools, Buffet und dergleichen himmlischen Annehmlichkeiten mehr geben, munkelt man. Ich will aber eigentlich lieber meine Familie sehen und beschränke mich auf das Einsammeln meines Kleidungsbeutels (mit Handy), der Urkunde und des Finisher-T-Shirts und rufe Sabina an. Die sitzt jetzt mit meinem Vater im Eiscafe auf dem Paulsplatz, also gleich neben dem Athletes Garden. Ich ziehe mir etwas Trockenes an und schnappe mir noch schnell ein belegtes Brötchen, aber damit geht es mir wie bei der Banane ein paar Stunden zuvor. Dann raus aus dem abgesperrten Bereich und rüber ins Eiscafe. Der Eisbecher meines Vaters schmeckt mir jetzt ausgezeichnet, allerdings kein Vergleich zum Kuss meiner Frau. Ich ordere auch ein Eis und lümmele mich in einen Korbstuhl, ein saugutes Gefühl jetzt hier zu sitzen und über den Tag zu plaudern, wie die anderen das Rennen verfolgt haben und so weiter. Beim Laufen war ich am Ende 1050ster in 4:44h, gesamt 1178ster in 12:38h. Schade, dass es nicht noch ein wenig länger war, da wäre ich noch auf einen Platz unter den ersten Tausend nach vorne gelaufen … ;-) Das Eis schmeckt jetzt richtig gut und das Gefühl, einen ganz besonderen Tag erfolgreich durchlebt zu haben dürfen, stellt sich ein. Vom nahen Römer schallt der fortlaufende Zieleinlauf herüber, den ich aber nur am Rande wahrnehme.

Das Aufstehen aus dem tiefen Stuhl hat dann eine halbe Stunde später zum ersten Mal an diesem Tag richtig weh getan, die müden Oberschenkel zusammen mit dem gesunkenen Adrenalinspiegel oder die ausgeschütteten Endorphine … was weiß denn ich. Scheissegal, Eisen kennt keine Schmerzen! Wir holen die rote und die blaue Tüte mit den Überbleibseln von meinem Wechsel 1 und 2 ab, dann das Fahrrad, was alles in Zielnähe passiert und problemlos klappt. Dann auf zum Auto, was ich schon am Vortag nach der Radabgabe am Langener Waldsee in Zielnähe geparkt hatte, da tagsüber am Renntag natürlich mit Auto kein Durchkommen bis dorthin ist. Zu Hause in Bad Vilbel gegen 22:00 angekommen freue ich mich langsam aber sicher auf mein Bett, bin aber nach wie vor viel frischer als erwartet, insbesondere habe ich so gut wie keine Beschwerden oder gar Schmerzen in den Beinen, selbst an den kommenden Tagen nicht. Ok, tief in die Hocke gehen wie z.B. beim Aufstehen aus dem Stuhl im Cafe ist nicht so toll, aber ansonsten ist alles problemlos, bis auf etwas Sonnenbrand an den Schultern. Wenn das mal nicht deutlich Steigerungspotential für die Zukunft aufzeigt. Da ich Sabina jedoch lange vorab versprechen musste, in 2006 einen derartigen Schwachsinn nicht noch einmal zu machen, muss das Steigerungspotential noch mindestens bis 2007 aushalten. Nach dem Marathon 2004 kam ich vor Muskelkater eine Woche lang kaum eine Treppe hoch geschweige denn runter, diesmal geht’s ohne nennenswerte Probleme. Vernünftiges Aufwärmen vor dem Laufen zahlt sich eben doch immer aus …

Die Nachbarn sitzen auf der Terrasse als ich zu unserer Haustür vorbeigehe, spontan stehen sie auf, gratulieren mir lautstark und verneigen sich sogar, was ich für etwas übertrieben halte, wenn auch nur ein kleines bisschen.

2) Hintergrund/ zu meiner Person

Persönliches : Geboren 30.1.1970. Seit 2000 verheiratet mit Sabina, 2 Kinder: Joshua (5 Jahre) und Mara (2 Jahre). Wohnort: Bad Vilbel (bei Frankfurt). Größe: 192cm, Gewicht 88kg.

Beruf : Unternehmensberater. Zur Zeit der Vorbereitung auf den IMG05 bin ich mit 40-50 Wochenstunden bei einem Kunden in der Nähre meines Wohnortes tätig. Ein Kunde außerhalb, also mit Reisetätigkeit und Hotelübernachtungen, was bei meinem Beruf jederzeit im Rahmen des Möglichen liegt, hätte ein gezieltes und konsequentes Training unmöglich gemacht.

Sportlicher Werdegang : 1976 bis 1981 Schwimmverein, 1978-1992 Handballverein, dazu bis zum Abitur Leichathletik (Wettkampf) und Skilanglauf(Wettkampf). Seit 1984 Skialpin (Freizeit), seit 1998 Basketball (Freizeit). 2004 Frankfurt Marathon (3:55h).

3) Training

Rahmenbedingungen :

Das wichtigste und zeitintensivste in meinem Leben ist meine Familie, insbesondere da die Kinder noch klein sind. Danach kommt direkt die Arbeit, als Alleinverdiener gibt es da wenig Alternativen. Zukünftig wollen meine Frau und ich zwar die Rollen tauschen, aber das passiert nicht vor dem 10.7.05. Mein Triathlontraining genießt somit Priorität 3 gleichauf mit anderen Hobbys, Freunden usw.. Konkret heißt das für die Planung des Trainings folgendes:

  • Andere Hobbys werden ersatzlos gestrichen bzw. bekommen neue Prioritäten im Bereich 17-34.
  • Freunde werden insbesondere am Wochenende tagsüber beglückt, da mittlerweile fast alle auch Kinder haben, klappt das ganz gut.
  • Training ist wochentags ab ca. 19:30 möglich, wenn die Kinder im Bett sind und falls ich schon aus dem Büro zu Hause bin.
  • Am Wochenende ist tagsüber Familienprogramm, Training im Normalfall wie wochentags ab ca. 19:30. Nur im absoluten Ausnahmefall ist am Wochenende auch tagsüber Sport möglich. Für richtig lange Einheiten wie z.B. 5h oder länger Radfahren ist somit der Ausnahmefall erforderlich, was insgesamt 5 Mal stattfand. Im Winter/Frühjahr habe ich bis zu 4h auf dem Rad im Keller auf der Rolle (und vor der Glotze) trainiert.
  • Training am frühen Morgen, bevor die Familie um ca. 6:20 aufsteht, habe ich nie ernsthaft in Erwägung gezogen.
  • Urlaub wird mit der Familie verbracht, Trainingslager etc. findet nicht statt. Bei weniger als 10 Wochenstunden Training wäre mein Körper vermutlich auch gar nicht in der Lage gewesen, plötzlich 25 oder mehr Stunden während einer Woche sinnvoll zu verarbeiten.
  • Einmal pro Woche verlängere ich die Mittagspause im Büro und gehe statt in die Kantine ins Schwimmbad.
  • Freitagsabends gehe ich dank Babysitter mit meiner Frau aus, somit ist Freitag trainingsmäßig Ruhetag.
  • Ich habe vorab mit maximal 10 Stunden pro Woche für mein Training geplant. Von Dezember 2004 bis Juni 2005 bin ich schließlich auf 6,5 Stunden im Schnitt gekommen, in der heißen Phase Mai und Juni 2005 im Schnitt 9,5 Stunden. Diese Zeit bezieht sich auf reinen Sport in den Kategorien Laufen, Radfahren und Schwimmen und schließt keine weiteren sportbezogenen Aktivitäten mit ein wie z.B. Autofahrt zum Schwimmbad, Umziehen, Duschen, Gymnastik, Fahrrad reparieren, neues Fahrrad kaufen, Trainingsplan erstellen, Training dokumentieren, Basketball spielen etc.
  • Folgende Umfänge habe ich trainiert:
    • Dez04-Jun05: Schwimmen: 82km/ 32h. Rad: 2400km/103h. Laufen: 500km/53h.
    • Jul04-Jun05: Schwimmen: 114km/44h. Rad: 3300km/145h. Laufen: 1000km/103h.
  • Längste Einheiten: Schwimmen: 4km (ca. 8 Mal). Rad: 180km (3 Mal). Laufen: 25 km (2 Mal)
  • Koppeleinheiten: Ca. 10 Mal unmittelbar nach dem Radfahren noch ca. 30 min gejoggt.

Trainingsaufbau :

  • Jede vierte Woche ist Regenerationswoche, Trainingsumfang maximal 50% der Vorwoche.
  • Pro Woche eine lange Trainingseinheit, also entweder Rad oder Laufen. Dazu eine mittellange Einheit Rad oder Laufen, immer das, was nicht die lange Einheit war.
  • Nach einer Einheit Lauf oder Rad ist am nächsten Tag keine der beiden Sportarten dran, sondern entweder Schwimmen, Gymnastik oder ganz Pause, um dem Körper entsprechende Erholungsmöglichkeit zu geben, damit er die Trainingsreize verarbeiten kann.
  • Die Länge der Einheiten steigert sich ab Trainingsbeginn im Dezember 2004 bis Juni 2005 möglichst kontinuierlich von Rad: ca. 2h auf 7h, Lauf: 1h auf 2:45h, Schwimmen: 0:35h auf 1:30h.
  • Lieber wenige Einheiten pro Woche, diese dafür aber mit Sinn und Verstand und Regenerationsmöglichkeit für den Körper, als schnell noch mal zwischendurch kurz hektisch was einzuschieben. Im Mittel bin ich 1-2 Mal pro Woche radgefahren, einmal geschwommen, 1-2 Mal gelaufen und habe einmal Gymnastik/allgemeine Kräftigungsübungen (insbesondere für die Rumpfmuskulatur (Bauch und Rücken)) gemacht.
  • Letztendlich konnte ich mich nicht immer an diese Regeln halten, insbesondere aus familiären Gründen. Sie waren aber ein guter Leitfaden.
  • Beim Aufbau meines Trainings habe ich mich an Joe Friel/Gordo Byrn: „Going Long“ sowie Ole Petersen: „Ironman in 8 Stunden (pro Woche)“ orientiert. Gute Tipps gibt es auch im Triathlonforum auf www.3athlon.info und auf der Seitewww.coachgordo.com.
  • Zudem habe ich einen Laktatstufentest gemacht, um meine Pulsbereiche für das Training zu kennen. Ergebnisse fürs Laufen:

Regenerationsbereich (Reg)/ < 1mmol Laktat pro Liter Blut:

Grundlagenausdauer (GA1)/ 1-2 mmol: 125-135

Kraftausdauer (KA oder GA2)/ 2-3 mmol: 135-145

Entwicklungsbereich (Ent)/ 3-4 mmol: 145-165

Anaerobe Schwelle (AnS)/ 4 mmol: 174

Maximalpuls: 192 Schläge

Radfahren: Jeweils ca. 10-15 Schläge weniger als beim Laufen.

Mein Ruhepuls: 53 Schläge

Mein Training fand zu 2/3 im Bereich GA1 statt, insbesondere die langen Rad- und Laufeinheiten. Beim Schwimmen war im Wesentlichen nur eine Geschwindigkeit möglich, nämlich GA2: Bei GA1 wäre ich untergegangen, im Entwicklungsbereich wäre ich nach ein paar hundert Metern reif fürs Sauerstoffzelt gewesen.

Die oben genannten Pulsbereiche verschieben sich durch das absolvierte Training zwar etwas, auf weitere Tests habe ich aus Kostengründen (ca. 100 Euro pro Test) jedoch verzichtet.

4) Gesundheit

Bei sämtlichem Sport war ich zeitlebens so gut wie immer verletzungsfrei geblieben. Im Winter 2003-2004 hatte ich dann beim Joggen plötzlich Knieprobleme bekommen, die nicht wieder weggingen. Das Knie wies aber zum Glück laut Kernspinntomographie keinerlei Schäden auf. Nachdem ich zahlreiche Ärzte ohne greifbare Ergebnisse konsultiert hatte, kam einer auf die Idee, dass die Probleme eigentlich im Rücken liegen und mit gezielter Rumpfstärkung sowie Dehnung der Beinrückseite incl. Kniekehle vor dem Laufen zu meistern seien. Mit folgendem Programm habe ich die Beschwerden dann tatsächlich auch in den Griff bekommen:

Rumpfstärkung (einmal wöchentlich):

  • Liegestütze
  • Sit-ups (gerade und mit Drehung)
  • Vierfüßlerstand, diagonal ein Bein und einen Arm heben
  • Supermans (vgl. www.coachgordo.com unter „core strength ideas“)
  • Pikes (vgl. www.coachgordo.com unter „core strength ideas“)
  • Rückendehnung/ Katzenbuckel

Dehnung Beinrückseite (vor jedem Laufen):

  • Dehnen Oberschenkelrückseite im Hürdensitz
  • Dehnen Wade
  • Dehnen Kniekehle (auf Boden sitzend: Rücken gerade, ein Bein gerade, Fuß/ Zehen anziehen, mit Oberkörper nach vorne gehen)

In der Zeit Mai-Juni 2005 hatte ich mit ca. 10 Wochenstunden Training den größten Trainingsaufwand zu leisten. Obwohl ich großen Wert auf entsprechende Regeneration gelegt habe, war deutlich zu merken, dass der Körper (offensichtlich nicht mehr 20 Jahre jung) die Belastung nicht ohne weiteres verarbeiten konnte, was sich in häufigeren Beschwerden äußerte, so z.B. in Schienbein, Patellasehne, Wade, Oberschenkel, Fußsohle. Durch konservative Behandlung (Kühlung, einige Tage Ruhe, Massage, Druckverband etc. je nach Art der Beschwerden) waren diese aber immer schnell in den Griff zu bekommen.

Selbst wenn ich wesentlich mehr Zeit zum trainieren gehabt hätte, hätte mein Körper dies wohl nicht ohne weiteres mitgemacht. Vermutlich wäre eine wesentlich längere Gewöhnung an die Belastungsumfänge erforderlich gewesen, also eine langsamere Steigerung der Umfänge über einen längeren Zeitraum, vermutlich eher Jahre als Monate.

Zu den Übungen zur Rumpfstärkung bin ich über den Umweg der Knieprobleme gekommen, es wird jedoch fast überall in der Trainingsliteratur die Wichtigkeit dieses Trainings für den Triathleten hervorgehoben, so dass dies definitiv keine vertane Zeit war.

5) Ernährung

Durch das gezielte Ausdauertraining hat sich mein Appetit insgesamt deutlich vergrößert. In der Kantine habe ich gerne neben Suppe, Hauptgang, großem Salat und Nachtisch noch einen zweiten Hauptgang und/oder zweiten Nachtisch genommen. Abends hat meine Frau mir oft noch zusätzlich Kuchen hingestellt. Insgesamt habe ich dabei jedoch über den Zeitraum Dez04-Jun05 ein paar Kilos abgenommen. Grunsätzlich habe ich versucht, viele und möglichst verschiedene Proteine (=Eiweiße) zu mir zu nehmen: Geflügel, Fisch, Fleisch, Käse, Milch, Eier, Soja, etc., alles möglichst fettarm. Dazu viel frisches Obst und Gemüse und normale Mengen Kohlenhydrate (Brot, Kartoffeln, Nudeln, Reis etc.). Alkohol stellt seit dem Ende der Studententage sowieso einen wesentlich geringeren Anteil an der Kohlenhydrataufnahme dar, statt einst viel Bier jetzt eher wenig (guter) Wein. Nach dem Training gab es entweder Apfelschorle oder alkoholfreies (Weizen)Bier. Im Zweifel habe ich auf Alkohol lieber ganz verzichtet.

Beim Training bis ca. 3 Stunden habe ich nur getrunken (Wasser, Apfelschorle), darüber hinaus auch Müsliriegel, Bananen. Auf den langen Radausfahrten (5h und länger) habe ich versucht, die Wettkampfverpflegung zu testen bzw. den Körper daran zu gewöhnen:

Maltodextrin: Maltodextrin ist ein langkettiger Zucker. Dieser muss im Gegensatz zu kurzkettigem Zucker , z.B. Traubenzucker, im Magen erst aufgespalten, d.h. zerkleinert werden. Dies benötigt Zeit, was zur Folge hat, dass die Energieabgabe ins Blut zwar relativ langsam, dafür aber gleichmäßig geschieht. Maltodextrin bekommt man in der Apotheke in Pulverform und kann man in Wasser problemlos auflösen. Man muss darauf achten, dass man es nicht zu dick anmischt, sonst ist es nicht mehr isoton (gleicher Anteil gelöster Teile in der Lösung wie im Körper, ist individuell jedoch verschieden) und der Körper kann es nur unter Zugabe von zusätzlichem Wasser verarbeiten. Die Angaben, die ich gefunden habe, wann Maltodextrin isoton ist, schwanken zwischen 80 Gramm/Liter und 400 gr/l. Ich bin mit 150 gr/l gut zurechtgekommen.

Viele Triathleten verwenden auch Energieriegel (PowerBar etc.) oder Energiegels (Squeezy usw.). Ich habe insgesamt mit Maltodextrin die besten Erfahrungen gemacht. Hier muss aber jeder selber ausprobieren, was Sinn macht und was und wie viel davon individuell verwendet werden kann.

6) Renntaktik

Schwimmen : Der angenehmste Teil des Tages: Sollte sich locker anfühlen, Treibenlassen auf dem Neo (Auftrieb fast wie ein Luftmatratze) und im Sog der Mitstreiter mitziehen lassen.

Rad : Immer einen Gang leichter als man eigentlich gerne fahren würde, insbesondere am Berg keinen Druck machen sondern auf den Puls achten und keinesfalls in den anaeroben Bereich gehen. Kilometer rückwärts zählen: Wenn man auf dem Rad “schon“ 50km geschafft hat würde man gerne mal richtig Gas geben. Nach 50km auf dem Rad sind es aber noch 130km + 42km bis ins Ziel, das klingt schon eher danach, dass man mit den Kräften noch haushalten sollte.

Laufen : Laufen bis es nicht mehr geht und dann gehen bis es wieder läuft. Auf keinen Fall jedoch vor der Hälfte des Marathons zu viel Gas geben, denn dort beginnt das eigentliche Rennen (der Kampf) erst richtig.

7) Ausrüstung

Laufen : Lieblingsschuh Asics Gel Kayano für Training und Wettkampf. Preis ca. 150 Euro.

Rad : Alurahmen von Radon, Rahmenhöhe 62cm: Sehr steif, ziemlich schwer, Carbongabel. Laufräder: Ksyrium Elite. Lenker: Rennlenker mit STI-Griffen und Syntace Clip-On Aerobars. Bremsen/Antrieb/Schaltung: Ultegra 3x9. Preis gesamt ca. 1.100 Euro.

Schwimmen : Neopren Orca Speedsuit Sleeveless. Preis ca. 250 Euro.

8) Erkenntnisse

  Das Training ist härter als der Wettkampf, z.B. im Februar im Schneeregen abends im Dunkeln alleine 2 Stunden laufen gehen oder 4 Stunden auf der Rolle vor der Glotze im Keller radfahren.

  • Das Ganze geht mit unwesentlich höherem Trainingsaufwand und insgesamt 1-2 Jahren mehr Erfahrung vermutlich auch 1,5 Stunden schneller, also so um 11 Stunden. Für eine Hawaiiquali sind ca. 9:30 erforderlich, das ist dann allerdings eine andere Geschichte.
  • Oft überschätzt man sich bei dem, was man in einem Jahr erreichen kann. Fast immer unterschätzt man sich jedoch gewaltig, was man in 3-5 Jahren schaffen kann. Ich habe mit Triathlon vor drei Jahren begonnen. Meine Frau meinte während dieser drei Jahre mehrfach zu mir, ich würde mich maßlos überschätzen. Damit hat sie mir nicht nur die allerbeste Motivation zuteil werden lassen, sondern lag schlussendlich mit ihrer Aussage auch immer daneben.
  • Das Versprechen an Sabina, “so einen Schwachsinn“ (=Triathlon Langdistanz, Ironman) in 2006 nicht noch einmal zu machen, ist im Großen und Ganzen schon in Ordnung, da der Aufwand für die langen Trainingseinheiten irgendwie eben doch direkt auf Kosten der Familie geht. 2006 also Mitteldistanz anpeilen! Wenn die Kinder dann richtig groß sind, z.B. in 2007, wird neu verhandelt.

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