Kraichgau 'IM70.3' (7. Juni 2015)

(von Matthias J) Seit ich mit Triathlon begonnen habe, wurde ich regelmäßig mit dem Begriff „Kraichgau“ konfrontiert. Fast schon Kultstatus haftet diesem Mitteldistanzrennen an, das vor gut 10 Jahren als „Kraichgau Triathlon-Festival“ begann und nach der Challenge Kraichgau in 2015 erstmals unter dem Ironman-Label veranstaltet wurde. Langfristig hatte ich mich für den Ironman 70.3 Kraichgau bereits vor fast einem Jahr angemeldet, als Vorbereitungswettkampf für den Ironman Frankfurt. Aus Versehen klickte ich damals in der Länderliste wohl daneben, sodass auf meiner Startnummer statt GER (für Deutschland) das Kürzel GHA (für Ghana) inkl. Flagge abgedruckt wurde. So durfte ich als „der weiße Ghanaer“ ins Rennen gehen ;-)

Bild1_Startnummer

 

Warm-Up… Heat-Up!

Am Samstag reiste ich mit Frau und Kind an. Die Hitze war erdrückend. 34°C zeigte das Auto-Thermometer zwischenzeitlich, die Belastung für den Körper war nicht von der Hand zu weisen… ich fühlte mich schlapp und irgendwie unwohl. Startbeutel holen, die Merchandise-Stände abklappern und dann am Nachmittag der Rad Check-In und die Pastaparty… der Rest bestand darin, das schöne Wetter am Hardtsee-Strand mitzunehmen. Die Hitze schlug scheinbar auch meinem Verstand zu Gemüte… der ganze Orga-Kram brachte mich irgendwie durcheinander und am Schluss habe ich es sogar geschafft, meine geliebte (und teure) Radbrille auf dem Autodach zu vergessen. Ende der Geschichte: Radbrille weg und es war kurz vor 20 Uhr – möglicher Ersatz war nicht in Sicht, auch die Merchandise-Stände waren schon geschlossen. Dank dem Kraichgau-Orga-Team konnte ich mir dann am Rennsonntag morgens aber am D-Cycles-Stand noch eine Ersatzbrille besorgen… uff, so einen Stress braucht man nicht vor einem Wettkampf.

Ansonsten ging ich ziemlich entspannt in das Rennen. Ich wollte bewusst nicht an die Schmerzgrenze gehen, da noch Körner für 2 Wochen Ironman-Training aufzusparen waren. Meine Ziele waren daher relativ konstant durchkommen, die Verpflegung im Wettkampf testen und ansonsten das Rennen genießen. Vage Zielzeit für mich war im Bereich 5:30-6:00h bei moderater Belastung. Die Nacht zuvor konnte ich zwar nicht gut schlafen, das lag aber eher an ungewohntem und lautem Hotel, aufgeheiztem Zimmer und unruhigem Kind.

Boooooom!

Laute Kanonenschläge schickten am Sonntag die einzelnen Startwellen auf die Reise. Angekündigt war eigentlich eine größere Abkühlung, doch die heftigen Gewitter gingen am Samstag weiter südlich und östlich runter, direkt am Hardtsee fiel nur leichter Regen. Beim Radfahren sah ich, wie eine Straße komplett mit getrocknetem Schlamm bedeckt war und nach dem Rennen erfuhr ich, dass in einer anliegenden Gemeinde 60 Keller überflutet wurden. Umso schöner, dass das Rennen dennoch problemlos stattfinden konnte.

9:20 Uhr durfte meine Startgruppe ins Wasser… wenige Minuten später kamen die ersten Profis aus dem Wasser und ich bekam noch mit, wie sich der Sprecher mit Position 10 für Kienle fast überschlug. 9:30 Uhr dann der Kanonenschlag und ab ging es für mich. Die Strecke bis zur ersten Boje war gleichzeitig die längste, ich kam insgesamt gut ins Schwimmen rein, hatte kaum „Feindkontakt“ und konnte trotz leicht schwerer Arme meinen Rhythmus finden. Nur einmal zuvor war ich dieses Jahr mit Neo und im See geschwommen, das stellte sich jedoch nicht als Problem heraus. Nach ca. der Hälfte der Strecke fand ich dann auch ein paar Beine, die meiner Geschwindigkeit (bzw. etwas schneller) entsprachen und hing mich dran, um Kraft zu sparen.

Nach 35:43 min stieg ich bereits aus dem Wasser – besser als von mir erwartet, ich war sehr zufrieden. Wechselbeutel schnappen, Neo aus, Radschuhe an, Rad finden und ab dafür auf die 90km über Kraichgaus 1000 Hügel.

Bild2_Schwimmausstieg

Rad macht Au!

So richtig locker fühlten sich die ersten Radkilometer nicht an. Irgendwie waren die Beine schwer, sicher auch noch ein Tribut der langen Radausfahrten der Vorwochen… Nach 15 flachen Kilometern ging es dann die ersten nennenswerten Anstiege hoch und alsbald auf den Schindelberg. Gerade oben dachte ich „huch, das war’s schon?!“, doch ich hatte noch 70km vor mir und die hatten es durchaus in sich. Eine kurzweilige Mischung aus Anstiegen und rasanten Abfahrten stand bevor, gespickt mit einigen wirklich knackigen Bergen, die vom Gefühl her deutlich mehr brannten als der Schindelberg. Ich versuchte gerade an den Anstiegen nicht zu sehr zu pushen und viel eher die flacheren Teilstücke zum Tempomachen zu nutzen, was mir auch gut gelang. Nichtsdestotrotz wurden die Beine gegen Ende merklich schwerer, die Hitze drückte immer stärker und ich war doch etwas froh, als die 1000 Hügel hinter mir lagen. Landschaftlich waren sie ein wirklicher Augenschmaus, aber nichts für bekennende Flachlandtiroler.

Leider bekam ich schon zu Beginn der Radstrecke leichte Bauchschmerzen, die dann noch zunahmen und bis zum Rad-Ende andauerten. Ernährung? Eher nicht, denn ich hatte zuvor nur 2 helle Brötchen mit leichter Marmelade zum Frühstück gegessen, sonst nichts. Wohl eher ist es auf mein bekanntes Problem des zu verkrampften Atmens beim Schwimmen zurückzuführen. Das hat mir noch einmal klar vor Augen geführt: daran muss ich bis zum Ironman arbeiten! Vielleicht sind die Probleme bis dahin zumindest gelindert.

Ansonsten klappte die Ernährung auf dem Rad gut. An jeder Verpflegungsstation nahm ich eine Flasche Iso und einen Riegel/Gel mit und brachte alles gut in mich rein. Zu Beginn und am Ende der Radstrecke waren die Gels im Einsatz, in der Mitte die etwas schwerer verdaulichen (aber füllenderen) Riegel.

Bild3_Rad

Insgesamt war viel los auf der Radstrecke… kein Wunder bei knapp 2.500 Athleten, trotz der unterschiedlichen Startwellen. Auch wenn ich mir jede Mühe gab: regelkonformes Fahren war nicht immer möglich. Ich gab mein Bestes, im Gegensatz zu so manch anderen Athleten, die rotzfrech im Windschatten hingen und da auch nicht raus wollten. Aber die Diskussion darüber bei Großveranstaltungen wie einem Ironman überlasse ich lieber anderen…

Nach 2:45h stieg ich gut belastet vom Rad. Eine Zeit, die mich ebenfalls sehr zufrieden stimmt, da ich eher so um die 3:00h angepeilt hatte. Im Wechselzelt konnte ich gerade noch das Sieger-Interview von Sebastian Kienle mit anhören. Der kam mir bei Kilometer 26 auf der Radstrecke schon entgegen und hatte es nun schon geschafft… der Glückspilz. So konnte ich beim Schuhe-Anziehen zumindest noch ein wenig lauschen, wie er sich in Frankfurt „einen in die Fresse hauen“ will – viel Spaß dabei :-)

Run with the heat

Schlagartig merkte ich beim Wechsel in die Laufschuhe, wie heiß es mittlerweile geworden war. 30°C verhießen ein paar heiße Sohlen. Doch auf den ersten Kilometern belasteten mich eher zwei andere Dinge: zum einen der krampfende Bauch (noch immer vom Schwimmen/Rad), der immer wieder für Aufstoßen und Übelkeit sorgte. Zum anderen die Achillessehne, die sich auf dem Rad zumindest schonmal angekündigt hatte und die sich nun auf den ersten Laufkilometern richtig zu Wort meldete. Um den Bauchschmerzen Herr zu werden, versorgte ich mich gerade zu Beginn nur mit Wasser und nach ca. 10km wurde es deutlich besser. Die Achillessehne machte mir mehr Sorgen, doch auch hier ließen die Schmerzen nach der ersten Laufrunde (7km) nach… evtl. wurden sie auch nur durch andere Schmerzen und die einsetzende Ermüdung überlagert, wer weiß. Zumindest fühlte ich mich auf der zweiten Halbmarathon-Hälfte deutlich wohler, sodass ich relativ konstant durchlaufen konnte.

Die Hitze war aber ein echter Kracher. An jeder Verpflegungsstation stopfte ich mein Trikot mit kalten Schwämmen aus und schüttete mich mit Wasser zu, auch von den kleineren Duschen am Rand nahm ich jede mit. Dass es zuvor im Training eigentlich nie heiß gewesen war und man nun ausgerechnet jetzt beim Wettkampf Eier hätte braten können, machte nicht nur mir zu schaffen. Gerade gegen Ende sah ich immer mehr Mitstreiter gehen und/oder langsamer werden, die Erschöpfung war überall sichtbar. Auf meiner letzten Laufrunde gingen dann an den Verpflegungsstationen auch schonmal die Schwämme und das Wasser aus - jeder versuchte sich halt maximal zu kühlen.

Bild4_Laufen

Erst auf den letzten Kilometern sehnte ich dann doch etwas das Ziel herbei. An den Verpflegungsstationen ging ich, um mich adäquat zu verpflegen und zu kühlen, ansonsten konnte ich einen Schnitt von ca. 5:00-5:05min/km ohne großes Beißen halten. Gerade beim Laufen lag mein Ziel ja auf der Lockerheit, um nachfolgende Trainings nicht zu gefährden. Das hat auch wunderbar funktioniert. Nach 1:47h konnte ich dann nach der dritten Laufrunde in den Zielkanal einbiegen. Noch eine kurze Unterbrechung für Küsschen mit Frau und Kind und dann ab über die Ziellinie!

Finish

Am Ende blieb die Uhr für mich bei 5:15:03h (Detail-Resultate) stehen, was mich sehr zufrieden stimmt. Ich habe nicht nur mein Primärziel eines konstanten und moderaten Wettkampfs erreicht, ich habe auch meine Zielvorstellungen von 5:30-6:00h weit übertroffen. Somit kann ich motiviert und zuversichtlich nach Frankfurt blicken. Auch dass ich in den Tagen nach dem Wettkampf so gut wie keinen Muskelkater hatte (für mich eine Premiere) zeigt, dass muskulär noch Luft nach oben gewesen wäre und ich mich im Wettkampf nicht abgeschossen habe.

Bild5_Zielkanal

Bleibt die Frage: wie soll ich in weniger als 4 Wochen die doppelte Distanz schaffen?! Das wird ein hartes Brett, aber den Ironman gehe ich vor allem auch mental anders an, was einen großen Unterschied machen wird. Und mit gezielter Geschwindigkeits- und Pulskontrolle wird es auch mit der Langdistanz klappen!

Bis Frankfurt gibt es jetzt noch ein paar TODOs für mich: die geschundene Achillessehne muss weiter geschont und behandelt werden, was in der Konsequenz kaum mehr Lauftraining bedeutet. Das ist zwar nicht ideal, aber mit gezielten Radeinheiten gut kompensierbar. Und beim Schwimmen werde ich verstärkt Atemübungen einbauen, evtl. lässt sich hier noch etwas an der verkrampften Atmung bzw. dem unvollständigen Ausatmen drehen. Noch 2 Wochen intensiv trainieren und dann geht es ja auch schon ins Tapering für Frankfurt. Die letzten Wochen sind so wahnsinnig schnell vergangen, kaum vorstellbar, dass in 4 Wochen schon alles vorbei sein soll. BG, Matthias

Insgesamt waren 3 FunBaller am Start, in der Gesamtübersicht sieht das wie folgt aus:

FunBall_Kraichgau2015_Einzel

Marcus mit offenem Visier und die Konkurrenz im Blick:

Marcus_Lauf1

Joe erst fokussiert im Tunnel ...

Joe_Lauf1Joe_Lauf2

... dann gelöst in Zielnähe

Der aktuell beste Triathlet weltweit auf der Langstrecke auch Gesamtsieger im Kraichgau 2015: Sebastian Kienle

Seb_Lauf1

Galerie